Kaum ein Projekt ist juristisch und politisch so umstritten wie der Berliner Mietendeckel. Das LG Berlin hält die Regelungen nun für verfassungsgemäß, wie es im Rahmen eines Rechtsstreits um den Mietzins befand.
Das Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) – besser bekannt als der "Berliner Mietendeckel" – ist nach Ansicht der Zivilkammer 66 des Landgerichts (LG) Berlin verfassungsgemäß. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichts vom Freitag hervor (Urt. v. 31.07.2020, Az. 66 S 95/20). Allerdings könnte das Gesetz trotz des gesetzlichen Stichtags vom 18. Juni 2019 Mieterhöhungen der Vermieterseite erst ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 23. Februar 2020 und nicht schon für Zeit zwischen diesem Stichtag und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhindern, so das LG.
Grund zur Entscheidung gab ein Vermieter, der eine Mieterhöhung am 18. Juni 2019 verlangte, ausgerechnet dem Datum des gesetzlichen Stichtags des Berliner Mietendeckels. Die Vorinstanz hatte die Klage des Vermieters auf Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete abgewiesen: Das mit der Klage geltend gemachte Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 sei auf ein nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln und 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verbotenes Rechtsgeschäft gerichtet, da der verlangte Mietzins die am 18. Juni vereinbarte bzw. geltende Miete überschreite.
Auf die dagegen eingelegte Berufung des klagenden Vermieters bestätigte das LG die Vorinstanz für die Mietzinsansprüche ab dem 01. März 2020. Die Kammer sah die Regelungen weder formell noch materiell als verfassungswidrig an. Eine Vorlage nach Art. 100 Grundgesetz (GG) an das Bundesverfassungsgericht sei deshalb nicht geboten, hieß es. Die Karlsruher Richter hätten bisher lediglich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes die Frage nach der Gesetzeskompetenz des Landes Berlin für das MietenWoG Bln als "offen" bezeichnet, eine Tendenz damit aber nicht erkennen lassen, so das LG in einer Mitteilung.
Höhere Miete erst ab März 2020 verboten
Das Gesetz sei allerdings als Verbotsgesetz mit zivilrechtlichen Folgen erst am 23. Februar 2020 in Kraft getreten, entschied das LG. Der in diesem Gesetz enthaltene Stichtag des 18. Juni 2019 stelle zwar einen materiell maßgeblichen Bezugspunkt für die Ermittlung der (noch) zulässigen Miethöhe dar, ändere aber nichts daran, dass das gesetzliche Verbot höherer Mieten zum Stichtag am 18. Juni 2019 noch nicht existiert habe. Dieses gelte vielmehr erst seit dem 23. Februar 2020. Daher sei eine höhere Miete als die am Stichtag vereinbarte bzw. geltende Miete erst ab dem März 2020 für den monatlich zu zahlenden Mietzins verboten.
Laut Gericht verstößt das die Mieterhöhung durch den klagenden Vermieter für die Zeit ab dem 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 daher nicht gegen das gesetzliche Verbot des Mietendeckels, doch überschreite sie die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung hatte aus diesem Grund keinen Erfolg, weshalb das LG die Berufung insgesamt als unbegründet zurückwies.
Juristisch und politisch ist der Berliner Mietendeckel hochumstritten, weshalb Normenkontrollklagen bei den Verfassungsgerichten auf Landes- und Bundesebene anhängig sind. In Karlsruhe haben Unions- und FDP-Politiker aus dem Bundestag geklagt. Sie wie auch die Kläger auf Landesebene halten den Mietendeckel für verfassungswidrig.
Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Bayern hatte die Diskussion in Berlin Mitte des Monats wieder entfacht. Die Richter in München wiesen eine Klage auf Zulassung eines Volksbegehrens für einen sechsjährigen Mietenstopp in 162 Kommunen ab. Das Mietrecht sei Sache des Bundes, argumentierten die bayrischen Richter. Diese Auffassung vertreten auch CDU und FDP in Berlin, die den Mietendeckel nach dem Urteil vor dem Aus sehen. Der Berliner Senat hingegen geht nicht davon aus. Nach seiner Einschätzung kann man auf Landesebene sehr wohl etwas gegen steigende Mieten tun - auch verfassungskonform.
acr/LTO-Redaktion
LG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 31.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42378 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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