Es kommt nicht oft vor, dass ein wegen Mordes Verurteilter nach 14 Jahren plötzlich aus der Haft entlassen wird. Doch beim "Badewannen-Mord" gibt es Zweifel an der Schuld. Moderne Technik rückt die Beweismittel in ein neues Licht.
Fast 14 Jahre nach dem sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern kann der verurteilte Hausmeister neue Hoffnung schöpfen. Das Landgericht (LG) München I hat mit Beschluss vom 12. August 2022 die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet und den Mann mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen (Az. 1 Ks 121 Js 158 369/19).
Während die Wiederaufnahme von Verfahren nach rechtskräftigem Freispruch hoch umstritten ist, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten eines Angeklagten uneingeschränkt anerkannt und in § 359 StPO verfahrensrechtlich verankert. Danach kann ein abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung zu begründen geeignet sind.
Angeklagter wollte sich mit Urteil nicht abfinden
Der Hausmeister war wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Ansicht der Kammer des Landgerichts (LG) München II ertränkte er im Oktober 2008 eine 87 Jahre alte Hausbewohnerin. Damit habe er zwei schwere Kopfverletzungen vertuschen wollen, die er ihr zuvor zugefügt hatte.
Bis zur rechtskräftigen Entscheidung war es ein langer Weg. Nachdem der Hausmeister gegen das Urteil des LG München II aus dem Jahr 2010 erfolgreich Revision eingelegt hatte, wurde das Verfahren zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des LG München II verwiesen. Grund für die Revision war nach Auskunft des Pressesprechers des Oberlandesgerichts München gegenüber LTO jedoch keine Beweisfrage, sondern ein fehlender rechtlicher Hinweis zur Wahl eines anderen Mordmerkmals gewesen.
Nachdem auch eine andere Kammer des LG München II den Mann wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt hatte, wurde die daraufhin von dem Verurteilten eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beweismittel wurden allerdings erneut mit neuen wissenschaftlichen Methoden untersucht. Diese sind geeignet, zu einer für den Angeklagten günstigen Entscheidung zu führen. Aus diesem Grund wurde ein Wiederaufnahmeverfahren angestrebt, welches zunächst noch vom LG München I abgelehnt wurde. Nach erfolgreichem Beschwerdeverfahren erging am Freitag der Beschluss zur Wiederaufnahme des Verfahrens.
Technische Entwicklung entlastet den Verurteilten
Ausschlaggebend waren insbesondere neue Verfahren in der Thermodynamik.
So habe ein Experte erstmals die Wassertemperatur beim Auffinden der Leiche durch eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes ungefähr errechnen können. "Auf dieser Grundlage konnte sodann eine neue ungefähre Eingrenzung der Leichenliegezeit und damit des Todeszeitpunkts erfolgen", erläuterte das LG. Dieser liege erheblich außerhalb des vom verurteilenden Gericht angenommenen Zeitfensters. Außerdem liege inzwischen eine neue computergestützte biomechanische Simulation vor, wonach auch ein Sturz als Ursache des Todes der Seniorin infrage komme.
"Diese Erkenntnisse sind erst aufgrund der technischen Entwicklung der vergangenen Jahre möglich und stellen daher gegenüber der zuletzt im Jahr 2012 durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Landgericht München II neue wissenschaftliche Methoden dar, die seinerzeit noch nicht zur Verfügung standen." Daher handele es sich jeweils auch um neue Beweismittel im Sinne des Wiederaufnahmerechts.
Mit der Anordnung der Wiederaufnahme kommt es nun erneut zur Hauptverhandlung. Ein Zeitpunkt dafür wurde noch nicht bestimmt.
dpa/ku/LTO-Redaktion
Zweifel an der Schuld nach zehn Jahren Haft: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49306 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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