Nach der Weihnachtsfeier zogen zwei Mitarbeiter nachts noch auf das Firmengelände weiter und tranken in der eigenen Weinkellerei vier Flaschen Wein, rauchten, erbrachen sich. Für beide sind die Arbeitsverhältnisse beendet.
Zigarettenstummel im Mülleimer, eine zermatschte Mandarine auf dem Boden, vier leere Weinflaschen auf dem Tisch und Erbrochenes vor dem Ausgang: Es war wohl kein schönes Bild, was sich an einem Morgen im Januar dieses Jahres in einer Kellerei einer Genossenschaft in Baden-Württemberg bot. Daraus wurde ein Arbeitsrechtsfall, über den jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf zu verhandeln hatte (Az. 3 Sa 284/23).
Die Weihnachtsfeier der Weinkellerei fand an einem Donnerstag in einem externen Restaurant statt, danach waren zwei Beschäftigte mit der Chipkarte des einen ortansässigen Mitarbeiters gegen Mitternacht aufs Firmengelände und dort in die Kellerei gegangen. Sie hatten sich Wein genommen und vier Flaschen konsumiert – darunter auch solche, die nicht in den Verkauf an die Mitarbeitenden gelangen, weil sie ausschließlich für einen Discounter abgefüllt werden.
Am nächsten Morgen wussten die beiden Männer, dass sie – wie sie selbst später gegenüber der Arbeitgeberin formulierten – "Scheiße gebaut" hatten und informierten ihren Vorgesetzten. Am Montag – dem ersten Tag nach seinem Urlaub – hat der ortsansässige Kollege die Flaschen im Einvernehmen mit seinem mittrinkenden Kollegen im Betrieb bezahlt. An der Anhörung des Betriebsrats und der fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung für beide änderte das nichts mehr.
Doch während der baden-württembergische Beschäftigte diese akzeptierte, ging der in Nordrhein-Westfalen wohnhafte Kläger mit seinem Vater als Rechtsanwalt gegen die Kündigung vor. Er war zu der Zeit rund eineinhalb Jahre als Außendienstmitarbeiter im Unternehmen tätig.
ArbG Wuppertal: Abmahnung reicht
Das Arbeitsgericht (AG) Wuppertal hatte der Klage stattgegeben (Urt. v. 24.03.2023, Az. 1 Ca 180/23). Da die Kündigung auf einem steuerbaren Verhalten beruhe, sei eine Abmahnung auch in Ansehung des betrieblichen Alkohol- und Rauchverbots ausreichend. Dies gelte ebenso für das unberechtigte Betreten des Aufenthaltsraums, dessen Verschmutzung und den Konsum des Weins. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kollege diesen aus dem Lager geholt und der Kläger als "Ortfremder“ sich keine Gedanken über die Bezahlung gemacht habe.
Die beklagte Winzerei wertete den Sachverhalt anders – und stellte nach dem Urteil Strafanzeige, um den Fall strafrechtlich in Hinblick auf Hausfriedensbruch und Diebstahl klären zu lassen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein, § 153 Strafprozessordnung (StPO).
"Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, wie man hätte annehmen können, dass man mit der Chipkarte um Mitternacht das Firmengelände betreten dürfte ", subsumierte am Dienstag der Vorsitzende Richter am LAG Olaf Klein. Und nur bis zum maximal dritten Semester Jura sei es noch eine spannende Frage, ob die Leerung der Weinflaschen den Bruch fremden Gewahrsams als Tatbestand des Diebstahls erfüllen könnten. Selbst wenn die Flaschen hinterher bezahlt würden, sei das lediglich die Schadensregulierung.
Fast alles erledigt
Für Klein und seine Kammer war das Verhalten des Klägers daher arbeitsrechtlich eine "schwere Pflichtverletzung". Dann ist grundsätzlich auch eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung möglich. "Wir sehen das in der Würdigung also deutlich anders als das ArbG Wuppertal", so Klein in der Verhandlung. "Wir reden daher auch nicht über eine Abfindung".
Aber über einen Vergleich redeten die Parteien auf Vorschlag der Kammer – und sie einigten sich: Das Arbeitsverhältnis ist mit einer sozialen Auslauffrist beendet, ein Monat ausstehende Vergütung gibt es noch für den Kläger unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes, zudem bekommt er ein wohlwollendes Zeugnis, in dem die streitgegenständlichen Vorkommnisse nicht erwähnt werden. Und sogar die Kosten werden gegeneinander aufgehoben – was die Beklagte durchaus kräftig schlucken ließ.
Erledigt sind mit dem Vergleich zudem weitere Klagen: Eine auf noch mehr Vergütung und eine wegen des Streits ums Zeugnis. Der Vergleichswert lag damit dann bei insgesamt 36.390 Euro.
Nur ein weiteres Ermittlungsverfahren ist jetzt noch offen, das betrifft aber nicht die Parteien des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr hatte der Vater des Klägers, der seinen Sohn in allen Verfahren selbst vertreten hat, gegen den Anwalt der Weinkellerei Strafanzeige wegen Nötigung erstattet. Dies, weil dieser wiederum die Strafanzeige gegen den klagenden Sohn erstattet hatte. Richter Klein würde vermutlich sagen: Das ist nicht einmal mehr eine spannende Frage für Jurastudenten im dritten Semester.
Der Sohn hat im Übrigen schon seit Monaten einen neuen Job.
LAG-Richter sehen "schwere Pflichtverletzung": . In: Legal Tribune Online, 12.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52691 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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