Der 70. Deutsche Juristentag hat überraschend keine Empfehlung zu der umstrittenen Frage abgegeben, ob und wie die Tarifeinheit in den Betrieben gesetzlich geregelt werden darf. Die Vorschläge der übrigen Abteilungen hier in Kurzform.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will, dass das Motto "Ein Betrieb - Ein Tarifvertrag" wieder gilt - und damit die Macht von Spartengewerkschaften wie der Pilotenvereinigung Cockpit und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) beschnitten wird. Diskutiert wird dabei vor allem, in einem Betrieb nur den Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft gelten zu lassen. Zu einem Reformvorschlag ließen sich die Arbeitsrechtler auf dem DJT jedoch nicht hinreißen, was für einigen Diskussionsstoff sorgt.*
In den anderen fünf Abteilungen machen die Juristen dem Gesetzgeber Vorschläge zur Reformierung. Beschlüsse des Juristentages sind oft wegweisend für Gesetzgebung und Gerichte. Erste Ergebnisse:
Strafrecht: Eine Paralleljustiz, die das staatliche Justizsystem ersetzen oder ergänzen soll, lehnt der Juristentag ab. Kulturelle oder religiöse Prägungen sollen in Gesetzgebung und Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmen berücksichtigt werden. Tradition oder Religion sind somit in der Regel keine Entschuldigung. Kein Strafrabatt also bei Ehrenmorden. Zwangsheiraten, so der Rat an den Gesetzgeber, sollen auch verfolgt werden, wenn sie im Ausland, etwa bei einer Reise in die Heimat, arrangiert oder nur in der Moschee und nicht vor dem Standesamt vollzogen werden.
Bund-Länder-Finanzausgleich: Die Experten sprachen sich für eine Verschärfung der Schuldenbremse aus. So sollen unter anderem die Verschuldung der Kommunen und der Sozialversicherungsträger bei den Berechnungen miteinbezogen werden. Beim Finanzausgleich soll die Finanzkraft der Gemeinden zu 100 Prozent berücksichtigt, die höhere Einwohnergewichtung zugunsten der Stadtstaaten abgeschafft werden.
Managerhaftung: Die Teilnehmer lehnten gesetzliche Haftungserleichterungen für Manager ab. Sie sollen sich bei Gericht aber einfacher verteidigen können. Aktiengesellschaften sollen die Haftung ihrer Manager per Satzung beschränken dürfen. Manager sollen aber nicht persönlich mithaften, wenn einer Bank die Pleite droht und sie unter den Rettungsschirm flüchten muss.
Urheberrecht: Der Gesetzgeber soll eine neutrale Datenbasis schaffen, die das Nutzerverhalten in digitalen Märkten umfassend dokumentiert. Die Leistungsschutzrechte für Bilder und Filme im Internet sowie von Presseverlagen sollen beibehalten werden, digitale Privatkopien aber erlaubt sein.
Zivilprozesse: Die Fachkompetenz in den Gerichten soll gebündelt werden. Der Juristentag rät dazu, an Landgerichten Spezialkammern für Bausachen, die Arzthaftung oder Versicherungsfragen zu bilden. Für Mietstreitigkeiten etwa soll dies auch an Amtsgerichten möglich sein. Für internationale Handelssachen sollen die Länder auch Kammern mit Englisch als Gerichtssprache einrichten können.
dpa/age/LTO-Redaktion
* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst unzutreffend, dass das Nicht-Votum der Arbeitsrechtler eine Premiere darstellen würde. Tatsächlich hat die Gruppe jedoch bereits beim 66. DJT keine Beschlüsse getroffen. Geändert am 19.09.2014, 12:10.
Impulse vom Deutschen Juristentag: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13236 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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