Er war schon lange ein Streitthema zwischen den deutschen Innenministern, nun endet zum Jahreswechsel der pauschale Abschiebestopp für Syrien. Nicht nur die Organisation Pro Asyl ist empört.
Zu Beginn des neuen Jahres ist es wieder rechtlich möglich, Syrerinnen und Syrer in ihre Heimat abzuschieben. Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich auf der Innenministerkonferenz nicht auf eine Verlängerung des generellen Abschiebestopps verständigen.
Nach Einschätzung von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius werden Abschiebungen dorthin aber nicht erleichtert. Das bleibe weiterhin sehr, sehr schwierig, sagte der Sprecher der SPD-Innenminister am Freitag in Berlin zum Abschluss der Innenministerkonferenz. "Ich halte das für auch ein Stück weit populistisch", sagte er zum Ende des Stopps, den Minister von CDU und CSU durchgesetzt hatten. Ohne einen gemeinsamen Beschluss beider Seiten endet die seit 2012 geltende Regelung nun. Damit wird wieder in jedem Einzelfall geprüft, ob eine Abschiebung möglich ist.
Es blieben praktische Probleme, erklärte Pistorius. Es gebe weder Direktflüge nach Syrien noch Beziehungen zur Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Er wolle wissen, ob die Bundesrepublik nun bereit sei, "diplomatische Beziehungen mit dem Verbrecherregime von Assad aufzunehmen."
Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem Bundesinnenministerium sagte, es sei nicht einzusehen, dass eine Abschiebung selbst bei Gefährdern nicht einmal geprüft werde. "Wir wollen das Recht haben, den Einzelfall zu prüfen", sagte Engelke. "Wer schwere Straftaten begeht oder terroristische Absichten verfolgt, um unserem Staat und unserer Bevölkerung empfindlich zu schaden, der sollte, nein, der muss unser Land verlassen." Derzeit leben laut Engelke 89 islamisitische Gefährder aus Syrien in Deutschland. Mit einem pauschalen Abschiebestopp würde das Signal gesendet, dass die deutschen Behörden, egal was jemand hier tue, nicht einmal die Möglichkeit einer Abschiebung prüften.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Vertreter der unionsgeführten Länder sagte, in Syrien sehe man nach wie vor eine "schwierige Situation". Es dürfe aber kein Tabu sein, über die Abschiebung einzelner Gefährder und Straftäter nachzudenken. Schließlich seien einige Syrer aus Jordanien und dem Libanon zurück in ihre Heimat gegangen. Er sagte auch: "Wir haben Berichte darüber, dass auch anerkannte Flüchtlinge in Deutschland gelegentlich zu Heimatbesuchen nach Damaskus fliegen."
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Die Organisation Pro Asyl reagierte empört auf das Ende des Abschiebestopps. "Das ist ein menschenrechtlicher Dammbruch mit fatalen Folgen für die deutsche Außen- und die Innenpolitik", erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Ein Folterregime wird nun salonfähig gemacht, denn ohne diplomatische Beziehungen sind Abschiebungen unmöglich." Die Länder müssten nun umgehend eigene Abschiebestopps für Syrien erlassen.
Auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, reagierte entgeistert: "Angesichts des anhaltenden Terrors des IS und der türkischen Besatzung in Nordsyrien steht fest: Es gibt in Syrien keine sicheren Gebiete. Jede Abschiebung dorthin, egal wen sie trifft, ist Unrecht." Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, betonte: "Das Völkerrecht verbietet Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete."
Ähnlich äußerte sich Amnesty International. "Abschiebungen nach Syrien sind weder völkerrechtskonform noch möglich. Die syrische Regierung geht weiterhin mit Gewalt willkürlich gegen Menschen vor. Syrische "Sicherheitskräfte" sind für systematische Folter und Hinrichtungen von Zehntausenden Menschen verantwortlich", erklärte der Amnesty-Generalsekretär in Deutschland, Markus Beeko.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Innenministerkonferenz: . In: Legal Tribune Online, 11.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43721 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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