Stralsund hatte sich Großes vorgenommen: Im Rathaus sollte es Friedensgespräche zum Ukraine-Krieg geben. Doch der Beschluss wurde vom Innenministerium nun als rechtswidrig eingestuft. Ein LTO-Bericht hatte die Debatte angestoßen.
Der Beschluss der Stralsunder Bürgerschaft, das Rathaus der Hansestadt für Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland anzubieten, ist rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt die Kommunalaufsicht des Ministeriums von Mecklenburg-Vorpommern.
Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) war im Oktober mit großer Mehrheit von der Bürgerschaft beauftragt worden, die Bundesregierung zu informieren, dass das Stralsunder Rathaus für sofortige Friedensgespräche zur Verfügung stehe. Zur Begründung hieß es im Beschluss der Bürgerschaft: "Es gibt nichts Wichtigeres als Frieden auf unserer Erde. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine haben die Menschen in unserem Land Angst vor einem 3. Weltkrieg. Dieser könnte sehr schnell zu einer nuklearen Katastrophe führen." Man wolle helfen, dass die Kriegsparteien endlich an den Verhandlungstisch kommen.
LTO-Bericht führte zur Prüfung
Die Diskussion über die Rechtmäßgkeit des Beschluss nahm durch einen Bericht von LTO Fahrt auf. Der Verwaltungsrechtler Dr. Patrick Heinemann kam darin zu dem Schluss, dass der Beschluss rechtswidrig sei. Denn der Kompetenzbereich von Gemeinden beschränke sich nach ständiger Rechtsprechung auf "Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben". Kommunale Volksvertretungen hätten kein allgemeinpolitisches Mandat. Das gelte besonders für Angelegenheiten, die nach der Kompetenzordnung des GG den Ländern oder dem Bund vorbehalten sind. So sei insbesondere die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten nach Art. 32 Abs. 1 GG die alleinige Sache des Bundes. Nach dem Bericht leitete die Rechtsaufsicht des Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern eine Prüfung ein.
In der nun abgeschlossenen Prüfung kam die Rechtsaufsicht ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Beschluss rechtswidrig sei. Die Hansestadt habe damit ihren verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzbereich überschritten, hieß es vom Ministerium am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe kein Zweifel "an dem Charakter einer allgemeinpolitischen Erklärung auf dem Gebiet der Außenpolitik". Das gehe über die kommunale Selbstverwaltung hinaus, die sich auf "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind" beziehe. Der bloße Umstand, dass die Gemeindevertretung nur für die eigene Gemeinde spreche, genüge dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit nicht.
Tradition der Streitschlichtung
Weil erstens die Wirkung des Beschlusses auf das Ansehen der Organe der Hansestadt beschränkt bleiben dürfte und zweitens die Erwartung besteht, dass sich die Stadt in ihrer Tätigkeit "künftig auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränken" wird, sieht die Kommunalaufsicht des Landes von weitergehenden rechtsaufsichtlichen Maßnahmen ab.
Die Bürgerschaft hatte sich in dem Beschluss auf eine gewisse Tradition der Streitschlichtung berufen. So verwies sie auf den Stralsunder Frieden von 1370 und einen Besuch des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme 1984. Damals sei es um die Schaffung eines atomwaffenfreien Sperrgürtels in Mitteleuropa gegangen. Im Jahr 1370 wurde in Stralsund ein Ausgleich zwischen dem dänischen König Waldemar IV. und den Städten der Hanse gefunden.
Diese Bezüge seien ein ungeeigneter Versuch, eine ortsspezifische Betroffenheit zu konstruieren, befand das Ministerium nun.
Die Hansestadt Stralsund ist in Sachen außenpolitischer Ambitionen von Kommunen kein Einzelfall. Am 20. Oktober beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Königs-Wusterhausen, einen offenen Brief an die Bundesregierung zu richten, in dem sie insbesondere weniger militärische Unterstützung der Ukraine und ein Ende der Sanktionen gegen Russland fordert. Auch die für Königs-Wusterhausen zuständige Kommunalaufsichtsbehörde will den dortigen Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit hin untersuchen. Angetrieben u.a. von Handwerkern beteiligen sich viele Kommunen an Protesten gegen die Ukrainepolitik der Regierung, wollen Außenpolitik gestalten. Auffallend ist, wie dabei russische Desinformation reproduziert wird.
pab/fz/dpa/LTO-Redaktion
Innenministerium rügt Stralsund: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50177 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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