Rückschlag für den amerikanischen Deserteur Andre Shepherd: Nach einem Urteil des EuGH wird er wohl kaum noch Aussichten auf Asyl in Deutschland haben. Die Luxemburger Richter stellten klar, dass eine drohende Freiheitsstrafe oder die Entlassung aus der Armee nach EU-Recht keine Asylgründe seien. Nun muss das Münchener VG entscheiden.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit dem Urteil gleich mehrere Grundsatzfragen zum Recht auf Asyl eines Deserteurs entschieden (Urt. v. 26.02.2015, Az. C-472/13). Es ging um die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichts (VG) München, das im Fall des US-amerikanischen Soldaten Andre Shepherd zu entscheiden hatte. Er hatte aufgrund seiner Kriegsdienstverweigerung im Irak-Krieg in Deutschland Asyl beantragt.
Shepherd war 2004 und 2005 insgesamt ein halbes Jahr als Wartungstechniker für Hubschrauber im Irak-Krieg im Einsatz. An Kampfeinsätzen war er nicht unmittelbar beteiligt. Nach der Rückkehr an seinen US-Stützpunkt im bayerischen Katterbach verlängerte er seine Dienstzeit. Doch als der Soldat zwei Jahre später einen neuen Einsatzbefehl für den Irak erhielt, flüchtete er. Als er schließlich Asyl in Deutschland beantragte, berief er sich auf Gewissensgründe - doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ab.
Keine hohe Wahrscheinlichkeit von Kriegsverbrechen belegt
Shepherd wandte sich daher an das VG München. Dieses bat den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens. Nach der EU-Richtlinie über Mindestnormen für die Anerkennung von Flüchtlingen (2004/83/EG) kann ein Drittstaatsangehöriger, der eine begründete Furcht vor Verfolgung hegt, unter bestimmten Voraussetzungen als Flüchtling anerkannt werden. Als Verfolgung gilt danach u. a. die "Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen … umfassen würde".
Den Anwendungsbereich der entsprechenden Vorschriften legten die Luxemburger Richter großzügig aus. Die Richtlinie gelte demnach für sämtliche Militärangehörige, also auch für logistisches und unterstützendes Personal wie Shepherd. Schutz könnte auch genießen, wer nur indirekt an Verbrechen beteiligt wäre, falls er eine für ihre Vorbereitung oder Durchführung unerlässliche Unterstützung leistet.
Dabei müsse noch nicht feststehen, dass Kriegsverbrechen bereits begangen wurden, sondern es genüge bereits, wenn der Antragsteller eine hohe Wahrscheinlichkeit belegen könne, dass sie begangen werden. Hiervon sei aber nicht auszugehen bei Einsätzen, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen genehmigt hat oder für die es einen "Konsens der internationalen Gemeinschaft" gibt, urteilten die Richter.
Entscheidung fällt in München
Insgesamt dürften Shepherds Chancen, vom VG München ein Recht auf Asyl in Deutschland zugesprochen zu bekommen, mit dem Urteil gesunken sein.
Denn er bemühte sich nicht, in den USA als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden - laut EuGH normalerweise eine Voraussetzung für die Anerkennung.
Und schließlich wären die befürchteten Konsequenzen wohl nicht schwerwiegend genug, um als Asylgrund zu gelten. Eine drohende Freiheitsstrafe oder die Entlassung aus der Armee sei angesichts des legitimen Rechts des betreffenden Staats auf Unterhaltung einer Streitkraft weder unverhältnismäßig noch diskriminierend. Dem Mann drohen laut EuGH eine Freiheitsstrafe zwischen 100 Tagen und fünfzehn Monaten.
dpa/age/LTO-Redaktion
EuGH sieht keine Diskriminierung: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14798 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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