Gegen den Ex-AfD-Europapolitiker Nicolaus Fest darf wegen seiner Äußerungen über den ehemaligen Grünenpolitiker Volker Beck strafrechtlich ermittelt werden. Der EuGH wies am Mittwoch eine Klage Fests gegen die Aufhebung seiner Immunität ab.
Der kürzlich aus der AfD ausgeschlossene Europaabgeordnete Nicolaus Fest ist mit dem Versuch gescheitert, aufgrund seines Immunitätsstatus als EU-Parlamentarier strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn wegen Beleidigung des früheren Bundestagsabgeordneten Volker Beck zu verhindern. Eine entsprechende Klage des ehemaligen AfD-Politikers gegen das Europäische Parlament wies der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch ab. (Urt. v. 26.06.2024, RS T-305/23).
Fest hatte Beck im September 2021 auf Twitter als "notorischen Lügner und Pädophilen" bezeichnet. Beck hatte den früheren AfD-Mann deshalb u.a. wegen Beleidigung nach den §§ 186 ff. Strafgesetzbuch (StGB) angezeigt. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin hob das EU-Parlament daraufhin im März 2023 die Immunität des Abgeordneten auf.
Diese ist grundsätzlich eine Garantie dafür, dass ein Europaparlamentarier sein Mandat frei ausüben kann, ohne willkürlicher politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen daher wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder wegen ihres Abstimmungsverhaltens weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder gerichtlich verfolgt werden. Besteht hingegen der Verdacht, dass außerhalb der Mandatsausübung Straftaten begangen wurden, kann das EU-Parlament die Immunität eines Abgeordneten aufheben.
Hintergrund der mutmaßlich beleidigenden Äußerungen Fests ist ein Text Becks aus dem Jahr 1988. In dem Text stellte sich Beck zwar gegen die Forderung nach Streichung der Strafbestimmungen des sexuellen Missbrauchs (§ § 174, 176 StGB) – eine Position, die in den 80er-Jahren bei den Grünen und in der Schwulenbewegung diskutiert wurde –, zeigte sich sich aber gleichwohl offen für eine Diskussion über eine teilweise Entkriminalisierung von gewaltfreiem Sex mit Kindern. Allerdings hatte sich Beck in den Folgejahren davon mehrfach distanziert. Unter anderem in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er im September 2013: "Wir haben damals einem Irrtum aufgesessen, das war ein Fehler, den bedauere ich und ich entschuldige mich auch bei allen, die sich da zurecht drüber aufregen."
EuGH: Äußerungen außerhalb der Mandatsausübung
Gegen die Aufhebung seiner Immunität durch das EU-Parlament war Fest vor den EuGH gezogen, kassierte dort aber am Mittwoch eine Niederlage. Das Gericht stellte fest, dass das EU-Parlament im Rahmen seines Ermessens zurecht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin gefolgt war, da die in Rede stehenden Äußerungen Fests auf Twitter nicht in Ausübung seines Amtes als Abgeordneter getätigt worden seien.
Darüber hinaus wies der EuGH auch Vorwürfe Fests zurück, wonach die Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn von dem Willen getragen seien, ihn politisch kaltzustellen bzw. seine politische Tätigkeit zu beeinträchtigen. Anhaltspunkte für einen solchen "fumus persecutionis" sah das Gericht allerdings nicht.
Fest hatte in diesem Kontext unter anderem darauf hingewiesen, dass der ehemalige Grünenpolitiker schließlich ein politischer Gegner sei, dessen Vorgehen somit von politischen Interessen geleitet sei. Der EuGH stellte hier jedoch klar: "Im vorliegenden Fall genügt der bloße Umstand, dass die Beteiligten Mitglieder zweier verschiedener Parteien waren und nicht dieselbe politische Ideologie teilten, nicht für den Nachweis oder die Vermutung, dass Herr Beck Strafantrag gegen den Kläger in der Absicht gestellt habe, dessen politische Tätigkeit zu beeinträchtigen."
Gericht sieht für parteiische Staatsanwaltschaft keine Belege
Weiter hatte der AfD-Abgeordnete in seiner Klage behauptet, die Berliner Staatsanwaltschaft sei keine unabhängige Behörde, sondern habe auf Weisung des damaligen grünen Justizsenators bzw. der den Senat tragenden Parteien gehandelt. Doch auch diesen Einwand wies der EuGH zurück. Fest habe keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die den Nachweis erlauben oder die Vermutung begründen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin im vorliegenden Fall auf Weisung des Justizsenators des Landes Berlin gehandelt habe. "Vielmehr beruft er sich lediglich darauf, dass der Justizsenator ein politischer Gegner gewesen sei. Der Verdacht, die fraglichen Strafverfolgungsmaßnahmen seien auf Ersuchen der Exekutive und der politisch links stehenden Parteien, die damals in diesem Land an der Macht gewesen seien, eingeleitet worden, wird nicht untermauert und hat spekulativen Charakter."
Schließlich argumentierte Fest gegenüber dem EuGH, die Staatsanwaltschaft Berlin betreibe die Strafverfolgung gegen ihn in erster Linie aus "persönlichen Gründen". Hintergrund sei eine "vergangene Auseinandersetzung" mit ihm und einer gegen ihn erlittenen "Niederlage". Im Jahr 2018 habe die Staatsanwaltschaft bereits versucht, ihm zu schaden, indem sie gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Banalisierung des Holocausts eingeleitet habe, sei aber anschließend gezwungen gewesen, dieses Verfahren wegen seiner pro-jüdischen und pro-israelischen Positionen einzustellen. Es sei daher möglich, dass die Staatsanwaltschaft durch die Einleitung der fraglichen Strafverfolgungsmaßnahmen "diese offene Rechnung geradeziehen" wolle, so Fest.
Doch auch für diese Argumentation fehlten dem EuGH am Ende die Belege. Im Urteil heißt es: "Der Kläger trägt jedoch keinen konkreten Gesichtspunkt vor, der es erlaubte, anders als durch allgemeine Spekulationen den Verdacht zu erhärten, dass die Staatsanwaltschaft parteiisch gehandelt und versucht habe, ihm dadurch zu schaden, dass sie 2018 und erneut 2022 gegen ihn Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet habe."
Die Entscheidung des EuGH macht nun den Weg für strafrechtliche Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft frei. Fest, früher auch stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag, ist inzwischen kein AfD-Parteimitglied mehr. Im Mai hatte das Bundesschiedsgericht der Partei den Parteiausschluss gegen den Juristen unter anderem wegen bekannt gewordener Schmähungen in einer internen WhatsApp-Gruppe der AfD-Delegation im Europaparlament bestätigt.
EuGH bestätigt Aufhebung der Immunität: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54872 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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