Eine Mitgliedschaft bei Online-Partnervermittlungen wie Parship kann widerrufen werden, entschied der EuGH. Wie teuer das für den Liebe suchenden Verbraucher wird, hängt davon ab, wie lange er in der Vertragsbeziehung steckte.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag ein Urteil über die Bestimmung zum Wertersatz im Rahmen eines Vertragswiderrufs mit der Online-Partnervermittlung Parship gefällt. Unter anderem hat er darin festgestellt, dass derartige Verträge grundsätzlich widerrufbar und außerdem bei der Berechnung des Wertersatzes grundsätzlich alle vertragsgegenständlichen Leistungen heranzuziehen seien. Damit stärkt er die Rechte von Verbrauchern in Sachen Widerruf deutlich (Urt. v. 8.10.2020, Az. C-641/19).
Dem EuGH lag ein Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts (AG) Hamburg vor. Dort ist ein Verfahren einer Verbraucherin anhängig, die mit dem Unternehmen PE-Digital, das die Website Parship betreibt, einen Vertrag geschlossen hat. Konkret handelte es sich um eine Premium-Mitgliedschaft über zwölf Monate zu einem Preis von 523,95 Euro. Dieser Preis war jedoch doppelt so hoch wie der, der anderen Nutzern im selben Jahr für die gleiche Leistung berechnet wurde.
Gegenstand des Vertrags war unter anderem das Erstellen eines Persönlichkeitstests unmittelbar nach der Anmeldung, der partnerschaftsrelevante Eigenschaften, Interessen und Gewohnheiten abfragt. Das Ergebnis bildet dann die Basis für die Kontaktvorschläge, die das Mitglied erhält. Der Test stellt damit die zentrale Leistung dar und bildet die Grundlage für die Online-Partnervermittlung.
Die klagende Verbraucherin wurde über ihr Widerrufsrecht belehrt und bestätigte, dass PE Digital mit Erstellung der vertraglichen Leistung - also dem Test - schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen dürfe. Vier Tage nach Vertragsschluss widerrief die Verbraucherin den Vertrag jedoch. PE Digital stellte ihr daraufhin Wertersatz in Höhe von 392,96 Euro in Rechnung. Die Frau erhob daraufhin vor dem AG Hamburg Klage auf Rückzahlung sämtlicher an PE Digital gezahlter Leistungen.
Das AG Hamburg hat daraufhin den EuGH angerufen. Es hatte Fragen zur Auslegung der EU-Verbraucherschutzrichtlinie (2011/83) vorgelegt.
Was dürfen Unternehmer bei Widerruf zurückverlangen?
Zunächst wollte das Hamburger Gericht wissen, welchen Betrag im Sinne von Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherschutzrichtlinie der Verbraucher zu zahlen hat, wenn er einen Vertrag widerruft, bei dem er zur Leistungserbringung vor Ablauf der Widerrufsfrist eingewilligt hat: Ist es der im Vertrag vereinbarte Gesamtpreis der vorgesehenen Leistung oder muss vielmehr der geschuldete Betrag zeitanteilig berechnet werden? Und ist zu berücksichtigen, dass eine der vertragsgegenständlichen Leistungen (in diesem Fall der Persönlichkeitstest) vor Widerruf bereits erbracht wurde?
Die Luxemburger Richter befanden nun, dass bei der Berechnung des Betrags grundsätzlich der Vertrag im Ganzen zu berücksichtigen sei. Es seien alle Leistungen zur Berechnung heranzuziehen, die Gegenstand des Vertrags sind. Wird der Vertrag widerrufen, so dürfe der Verbraucherin nur ein zeitanteiliger Betrag in Rechnung gestellt werden. Nur dann, wenn der Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere Leistungen gleich zu Vertragsbeginn gesondert und zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, dürfe der Unternehmer diesen Preis bei der Berechnung des ihm zustehenden Wertersatzes nach Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherschutzrichtlinie berücksichtigen.
Folgt das AG Hamburg dieser Rechtsauffassung des EuGH, wird es darauf hinauslaufen, dass die Frau, die lediglich kurzzeitig Parship-Kundin war, nur anteilig für vier Tage zahlen muss.
Ab wann zählt ein Gesamtpreis als überhöht?
Mit der zweiten Frage des Hamburger Gerichts haben die Luxemburger Richter eine weitere Bestimmung aus Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherschutzrichtlinie auslegen müssen. Danach wird der Wertersatz auf Grundlage des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises berechnet. Ist der Gesamtpreis überhöht, wird stattdessen der Marktwert als Grundlage für die Berechnung herangezogen. So stellte sich die Frage: Ab wann gilt ein Gesamtpreis als überhöht? Diese Frage ist für den Fall der klagenden Verbraucherin deshalb relevant, weil sie mehr zahlen musste als andere Nutzer der Plattform.
Nach Auffassung des EuGH sind zur Beantwortung dieser Frage die Gesamtumstände heranzuziehen. Also etwa der Vergleich mit dem Preis, den andere Verbraucher zahlen müssen für die gleiche Leistung, als auch der Vergleich mit Preisen, die andere Unternehmer für ähnliche Dienstleistungen verlangen.
Persönlichkeitstest als digitale Leistung unwiderruflich?
Zuletzt musste sich der EuGH mit der Frage des AG Hamburg auseinandersetzen, welche Konsequenz es für die Berechnung des Wertersatzes nach Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherrechterichtlinie hat, wenn der Vertragsgenstand eine digitale Leistung ist, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert wird. Derartige Leistungen können von Verbrauchern nach Art. 16 lit. m derselben Richtlinie nämlich nicht widerrufen werden. In dem konkreten Fall ist diese Frage für das von Parship erstellte Persönlichkeitsgutachten relevant.
Der EuGH legt diese Bestimmung in seiner Entscheidung eng aus. Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang und die gemeinsame Nutzung solcher Daten mit anderen Nutzern ermöglichen, fielen nicht unter diese Vorschrift. Der Persönlichkeitstest stelle eine derartige Dienstleistung dar und falle daher nicht unter die Ausnahme. Die Verbraucherin hat nach dieser Rechtsauffassung ordnungsgemäß widerrufen können, auch wenn es sich beim Test um eine digitale Leistung handelt.
pdi/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
EuGH zum Widerruf bei Parship: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43042 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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