Die Universität Breslau zog vor das EuG und ließ sich von einem Anwalt vertreten, der gleichzeitig einen Lehrauftrag an der Uni hatte. Das Gericht lehnte die Klage daher als unzulässig ab. Dem trat der EuGH nun entgegen.
Besteht zwischen einer Partei und ihrem Anwalt ein Lehrvertrag, steht das der Unabhängigkeit des Prozessbevollmächtigten vor den Unionsgerichten nicht entgegen. Das entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am Dienstag (Urt. v. 4.2.2020, C-515/17 P, C-561/17 P).
Die Universität Breslau hatte im Rahmen eines Forschungsprogramms mit der Exekutivagentur für die Forschung (REA) eine Finanzhilfevereinbarung abgeschlossen. Es zeigte sich jedoch, dass die Universität die Bestimmungen der Vereinbarung nicht einheilt. Die REA kündigte die Vereinbarung und bat die Universität zur Kasse.
Die Uni erhob daraufhin Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) und beantragte, die Kündigung der Finanzhilfevereinbarung sowie die Rückforderung der Fördermittel für nichtig zu erklären. Das EuG wies die Klage jedoch als offensichtlich unzulässig ab: Die Universität Breslau ließ sich nämlich von einem Rechtsberater vertreten, der durch einen Lehrvertrag an die Uni gebunden war. Es fehle ihm daher an der erforderlichen Unabhängigkeit.
In der zweiten Instanz hatte sich dann der EuGH damit zu befassen, ob der Lehrbeauftragte ausreichend unabhängig ist, wenn er anwaltlich die Universitöt vertritt, an der er einen Lehrauftrag hat. Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt zwei Voraussetzungen auf für den Vertreter einer Partei im Klageverfahren. Erstens muss eine Partei durch einen Anwalt vertreten sein. Zweitens muss der Anwalt berechtigt sein, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines EWR-Staats aufzutreten. Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Nicht jede Verbindung zum Mandanten macht abhängig
Die zweite Voraussetzung war unstreitig erfüllt. Zu klären war jedoch die Frage, ob der Rechtsberater ein Anwalt im Sinne der Satzung war. Der EuGH stellt klar, dass der Begriff des Anwalts autonom und einheitlich auszulegen sei und nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang und das Ziel der Vorschrift zu berücksichtigen seien. Laut EuGH besteht das Ziel der anwaltlichen Vertretung darin, in völliger Unabhängigkeit und unter Beachtung der Berufs- und Standesregeln die Interessen des Mandanten bestmöglich zu schützen und zu verteidigen.
Der Begriff der Unabhängigkeit sei daher nicht nur negativ, also durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch positiv, das heißt unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten zu definieren. Danach sei ein Anwalt nicht nur dann unabhängig, wenn er überhaupt keine Verbindung zu seinem Mandanten hat. Unabhängig sei vielmehr, wer keine Verbindungen zum Mandanten hat, die offensichtlich seine Fähigkeit beeinträchtigen, seiner Aufgabe nachzukommen, die Interessen seines Mandanten bestmöglich zu schützen.
Das wäre beispielsweise anzunehmen, wenn ein Anwalt, der eine juristische Person vertritt, innerhalb dieser juristischen Person über erhebliche administrative und finanzielle Befugnisse verfügt. Der Rechtsberater der Universität war jedoch lediglich durch einen zivilrechtlichen Lehrvertrag an die Uni gebunden. Darin sah der EuGH keine ausreichende Verbindung, die seine Unabhängigkeit beinträchtigen könnte. Daher haben die Richter in Luxemburg den Beschluss des EuG aufgehoben und die Rechtssache zurückverwiesen.
Nach deutschem Recht hätte diese Frage sich gar nicht gestellt, erklärt Martin W. Huff. "Nach deutscher Rechtsauffassung ist ein Lehrauftrag an einer Universität kein Dienstverhältnis, sondern ein Honorarvertrag. Anders wäre es nur gewesen, wenn der Anwalt im Rahmen seines Lehrvertrags für die Uni die Rechtsfrage geprüft hätte, um die es in dem Verfahren ging, in dem er die Universität nun vertritt. Dann hätte ein Vertretungsverbot in derselben Rechtssache nach § 45 der Bunderechtsanwaltsordnung bestanden", so der Geschäftsführer der Kölner Rechtsanwaltskammer. Dafür gab es in dem vom EuGH entschiedenen Fall aber keine Anhaltspunkte.
ast/LTO-Redaktion
EuGH zum Lehrbeauftragten als Anwalt: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40091 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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