Seit Jahren fährt Ungarn einen harten Kurs gegen Flüchtlinge – und verstößt dabei immer wieder gegen EU-Asylrecht. Weil Ungarn ein Urteil des EuGH weitgehend ignoriert hat, hat der EuGH nun eine drastische finanzielle Sanktion verhängt.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn wegen dessen rechtswidriger Asylpolitik sanktioniert. Weil das Land eine höchstrichterliche Entscheidung zum Asylsystem – über die LTO hier berichtete – nicht umgesetzt hat, muss es nun 200 Millionen Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag des Verzugs zahlen, entschieden die Luxemburger Richter am Donnerstag (EuGH, Urt. v. 13.06.2024, Az. C-123/22).
In dem Vertragsverletzungsverfahren stellte der EuGH fest, dass Ungarn die Anwendung einer gemeinsamen Politik der Union bewusst umgehe. Das stelle eine ganz neue und außergewöhnlich schwere Verletzung des EU-Rechts dar, hieß es in der Pressemitteilung des Gerichts.
Anlass der aktuellen Entscheidung ist eine Klage der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde überwacht in der Staatengemeinschaft die Einhaltung des gemeinsamen Rechts (sogenannte "Hüterin der Verträge"). Die EU-Kommission befand, dass Ungarn ein früheres Urteil des EuGH aus dem Dezember 2020 zum ungarischen Asylsystem (nämlich EuGH, Urt. v. 17.12.2020, Az. C-808/18) nicht ausreichend umgesetzt habe.
Die Richter hatten damals entschieden, dass verschiedene Regelungen gegen EU-Recht verstießen. Dabei ging es unter anderem um Verfahren in den mittlerweile geschlossenen Transitlagern an der Grenze zu Serbien. Neue Regeln in Ungarn sahen dann vor, dass Schutzsuchende unter Umständen ein Vorverfahren in ungarischen Botschaften durchlaufen mussten, bevor sie gegebenenfalls nach Ungarn einreisen durften, um dort Asyl zu beantragen. Auch diese Regelung erklärte der EuGH im vergangenen Jahr für unionsrechtswidrig (EuGH, Urt. v. 22.6.2023, C-823/21).
EuGH sieht Einheit des EU-Rechts bedroht
Im aktuellen Verfahren bemängelte die EU-Kommission, dass Ungarn auch nach dem Urteil aus dem Jahr 2020 noch immer nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um einen effektiven Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten.
Dieser Kritik folgten die Richter nun größtenteils: Budapest verstößt laut EuGH gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit im Bereich des internationalen Schutzes und gegen die Vorschriften über die Rückführung sich illegal aufhaltender Drittstaatsangehöriger. Dieses Verhalten stelle eine erhebliche Bedrohung für die Einheit des EU-Rechts dar.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat für das Urteil kein Verständnis: "Die Entscheidung ist empörend und inakzeptabel. Wir geben der finanziellen Erpressung der Brüsseler Bürokraten nicht nach! Wir verteidigen die Grenzen, und wir verteidigen die Ungarn!", schrieb der Regierungschef bei Facebook.
Ungarn ist nicht das einzige Land, dem in den vergangenen Jahren ein Zwangsgeld aufgebrummt wurde. Polen wurde 2021 vom EuGH zu einer Zahlung von einer Million Euro täglich verurteilt, weil es höchstrichterliche Entscheidungen zu einer umstrittenen Justizreform nicht umgesetzt hatte (EuGH, Beschl. v. 27.10.2021, Rs. C-204). Der Betrag wurde später halbiert.
dpa/kj/LTO-Redaktion
Weil das EU-Land ein EuGH-Urteil nicht befolgt: . In: Legal Tribune Online, 13.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54762 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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