Allein sorgeberechtigte Bürger aus Drittstaaten dürfen nicht ausgewiesen werden, sofern deren Kinder eine EU-Staatsbürgerschaft besitzen und ebenfalls von der Maßnahme betroffen wären. Dies entschied am Dienstag der EuGH.
Wer in der EU straffällig wird, ohne einem Mitgliedsstaat anzugehören, dem können Ausweisung und Abschiebung drohen. Ausgeschlossen ist sie allerdings, wenn der Betroffene zugleich allein sorgeberechtigt für ein Kind ist, das seinerseits die EU-Staatsbürgerschaft hat, und sonst auch ausreisen müsste. Das entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Urt. v. 13.09.2016, Az. C-165/14; C-304/14).
Grund dafür ist die Freizügigkeit von EU-Bürgern, welche Art. 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert. Sie erlaubt jedem Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet aller Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht werde den Kindern der Betroffenen verwehrt, sofern diese als Folge der Ausweisung des Sorgeberechtigten ebenfalls ausreisen müssten, so das Gericht. Dies entspricht einer früheren Entscheidung, in welcher der EuGH bereits die Ausweisung von Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers für unzulässig erklärt hatte.
Hintergrund des Urteils vom Dienstag waren Vorabentscheidungsersuchen aus Spanien und Großbritannien, welche die Frage zum Gegenstand hatten, ob das bloße Vorliegen von Vorstrafen bereits eine Ausweisung, bzw. die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis eines Drittstaatsangehörigen rechtfertigen könne, der allein sorgeberechtigt für Kinder mit EU-Staatsbürgerschaft sei.
Hohe Hürden für Aufenthaltsverweigerung
Das Gericht versperrt derartigen Regelungen zwar nicht vollständig den Weg, knüpft sie aber an hohe Anforderungen. So müssten Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts gebieten, wobei stets auf die Verhältnismäßigkeit zu achten sei. Demnach sei die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis nur zulässig, sofern sie auf dem persönlichen Verhalten des Betroffenen beruhe und dieses eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Gesellschaft darstelle. Eine strafrechtliche Verurteilung genüge den genannten Anforderungen ohne eine zusätzliche Gefährdungsanalyse nicht.
Dieselben Kritierien gelten für die Zulässigkeit der Ausweisung. Die von dem Betroffenen ausgehende Gefahr sei konkret zu bestimmen und müsste im Einzelfall gegen das Wohl des Kindes und dessen Grundrechte abgewogen werden.
mam/LTO-Redaktion
EuGH: Abschiebung darf Kinder mit EU-Staatsbürgerschaft nicht mit treffen: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20562 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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