Die polnische Justiz verweigert einem Mann die Scheidung, schließlich sei er mit seiner Untreue Schuld am Scheitern der Beziehung. Diese Zwangsehe hat im polnischen Recht eine rechtliche Grundlage, an der auch der EGMR nicht rütteln mochte.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Dienstag entschieden, dass es kein Recht auf Scheidung gebe. Artur Babiarz aus Polen, der die Ehe mit seiner Frau auflösen möchte, um seine langjährige neue Partnerin zu heiraten, hatte damit auch in Straßburg keinen Erfolg.
Die dortigen Richter waren der Auffassung, dass die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) die polnischen Behörden nicht verpflichte, die Scheidung zu akzeptieren. Auch dass die polnischen Behörden ihm eine erneute Ehe verwehren, verletze ihn nicht in seinen Grundrechten auf Ehe und Familie aus Art. 8 und 12 der EMRK (Az. 1955/10).
Damit bleiben die Eheleute Babiarz verheiratet, denn seine Ehefrau stimmte der Auflösung der Ehe bisher nicht zu, erklärte sogar, ihn trotz seiner Untreue noch immer zu lieben und sich mit ihm versöhnen zu wollen. Damit kann die polnische Justiz die Auflösung der Ehe weiter verweigern - und zwar auf handfester gesetzlicher Grundlage.
Polnisches Eherecht mit Verschuldensprinzip
Denn nach dem polnischen Eherecht kann im Fall einer "vollständigen und dauerhaften Zerrüttung des ehelichen Zusammenlebens" jeder Partner die Scheidung einreichen. Das zuständige Gericht in Lublin kam auch zu genau diesem Schluss: Die Ehe ist zerrüttet, eine Versöhnung unwahrscheinlich. Der einzig Schuldige für das Scheitern sei aber der untreue Ehemann.
Das führt zu dem entscheidenden Paragrafen im polnischen Eherecht, der an das Deutschland der Adenauer-Zeit erinnert: Stimmt der andere Ehepartner der Scheidung nicht zu, so ist diese "unzulässig, wenn sie von dem Ehegatten gefordert wird, der an der Zerrüttung des ehelichen Zusammenlebens allein schuld ist". Einzige Ausnahme: Die Weigerung verstößt gegen die Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens, etwa wenn der verschmähte Ehepartner aus Hass, Rache oder Ärger handelt.
Der Juraprofessor für polnisches Privatrecht von der Universität Frankfurt (Oder), Arkadiusz Wudarski, sieht die Regelung, die auf dieses Verschuldensprinzip abstelle, sehr kritisch: "Eigentlich ist so etwas unzumutbar für heutige Verhältnisse in der polnischen Gesellschaft", sagt er. Ähnliche Regelungen gebe es in Europa nur noch sehr selten.
dpa/ms/acr/LTO-Redaktion
EGMR verneint Recht auf Scheidung: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21724 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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