Die türkische Regierung hat mit der Sperre des Videoportals Youtube gegen Menschenrechte verstoßen. Dies entschied der EGMR am Dienstag und gab damit den Beschwerden von drei türkischen Juristen statt.
Mit einer mehr als zweijährigen Youtube-Blockade hat die türkische Regierung unter anderem gegen Artikel 10 der Menschenrechtskonvention – Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsbeschaffung - verstoßen. "Eine Blockade der Youtube-Zugänge ohne rechtliche Grundlage hat das Recht zum Empfang und zur Verbreitung von Informationen verletzt", begründete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) seine Entscheidung (v. 01.12.2015, Az. 48226/10 und 14027/11).
Von Mai 2008 bis Oktober 2010 hatte ein türkisches Gericht in Ankara den Zugang zu dem Online-Videoportal blockieren lassen. Begründet wurde dies damit, dass über Youtube rund ein Dutzend Videos verbreitet wurden, die das Andenken Mustafa Kemal Atatürks, des Gründervaters der modernen Türkei, beleidigen würden. Am Dienstag gab der EGMR nun den Beschwerden von drei türkischen Juristen, die alle drei an verschiedenen türkischen Universitäten Recht lehren, gegen die türkische Regierung statt.
Die Männer hatten argumentiert, die Sperre hätte deutliche negative Auswirkungen auf ihre akademischen Tätigkeiten gehabt. Zudem gebe es ein Interesse der Öffentlichkeit, an einem uneingeschränkten Zugang zu dem Videoportal. Überdies seien die fraglichen Videos zwischenzeitlich gelöscht worden beziehungsweise nicht mehr aus der Türkei abrufbar. Türkische Gerichte hatten die Klagen der Juristen gegen die Sperre zuvor abgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass ein Teil der als beleidigend eigestuften Videos noch auf den Servern von Youtube hinterlegt sei und deshalb noch "von Usern weltweit" abgerufen werden könnten.
Youtube spielt "überragende Rolle" für Informationsfreiheit
Der EGMR stellte nun klar, dass Videoportalen wie Youtube eine überragende Rolle im Zusammenhang mit der Informationsfreiheit zukommt. Youtube habe die Entstehung eines Bürgerjournalismus ermöglicht, der die Verbreitung politischer Informationen erlaubt, die von den traditionellen Medien ignoriert werden. Insofern sei die Blockade der Plattform ein Eingriff in die Informationsfreiheit der Einzelnen, auch wenn sich die Blockade nicht gegen sie richte.
Zudem habe die Blockade des Videoportals auch gegen türkisches Recht verstoßen. Danach sei es zwar möglich, gegen einzelne Webseiteninhalte gezielt vorzugehen, die generelle Sperrung von Webseiten oder gar ganzen Portalen sei hingegen auch nach türkischem Recht nicht zulässig.
mbr/LTO-Redaktion
EGMR rügt Türkei: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17724 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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