Vor anderthalb Jahren hat das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung der Erbschaftsteuer. Die ist Ende Juni 2016abgelaufen. Nun kündigt das Gericht weitere Maßnahmen an – notfalls könnte es eine eigene Regelung erlassen.
Das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Gesetzgeber ist nicht immer einfach – besonders, wenn es um die Erbschaftsteuer geht. Nachdem diese bereits 1995 (Az. 2 BvR 552/91) und 2006 (Az. 1 BvL 10/02) jeweils für teilweise verfassungswidrig erklärt worden war, fand sie im Jahr 2014 auch in einem dritten Anlauf nicht die Gnade der Karlsruher Richter (Az. 1 BvL 21/12). Wie in solchen Fällen üblich, setzten die dem Gesetzgeber damals eine Frist, innerhalb derer er eine Neuregelung erlassen sollte, und bis zu deren Ablauf die eigentlich unwirksamen Regelungen in Kraft bleiben sollten.
Diese Frist ist am 30. Juni 2016 abgelaufen, ohne dass ein neues Gesetz verabschiedet worden wäre. Ein Entwurf der Regierung scheiterte am 8. Juli jedenfalls vorläufig am Widerstand der von SPD, Grünen bzw. Linken regierten Bundesländer. Das Papier, das zuvor vom Bundestag abgesegnet worden war, fand im Bundesrat keine Mehrheit und wurde von dort in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss überstellt.
BVerfG will sich nach Sommerpause erneut mit Erbschaftsteuer befassen
Wann dieser das nächste Mal tagen wird, steht noch nicht fest – vor Ende der Sommerpause dürfte es jedoch organisatorisch schwierig werden, die 32 Mitglieder des Ausschusses zusammenzubringen. Das BVerfG hat indes seinerseits am Donnerstag erklärt, es habe mit Schreiben vom 12. Juli der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat mitgeteilt, "dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen wird".
Da das eigentliche Verfahren bereits mit dem Urteil aus 2014 abgeschlossen ist, kann man dies wohl nur als Ankündigung einer für diesen Zeitpunkt geplanten Vollstreckungsanordnung auffassen. Die Möglichkeit hierzu ist in § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) vorgesehen, wo es heißt: "Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln."
Denkbar ist beispielsweise der Erlass einer eigenen Regelung zur Erbschaftsteuer, welche dann bis zu einem Tätigwerden des Gesetzgebers gelten würde. Auf diese Möglichkeit wurde der Berichterstatter des Verfahrens, Prof. Dr. Michael Eichberger, bereits kurz nach dem Urteil des BVerfG im Januar 2015 angesprochen. Nach einem Bericht des Vereins zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft hat er . damals geantwortet, das Gericht werde sicher keine Blaupause verfassen, bei einem Fristversäumnis durch den Gesetzgeber seien jedoch durchdachte Übergangsregelungen denkbar.
Ähnliches Ultimatum führte 2013 zum Erfolg
Einen ähnlichen Fall hat es schon einmal vor drei Jahren gegeben: Im März 2013 forderten die Karlsruher Richter den Bundestag mit einem ähnlichen Schreiben auf, bis zum 18. Juni eine Regelung zur Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bei der Grunderwerbsteuer zu schaffen, nachdem er die im Urteil des Gerichts zunächst bestimmte Frist bis zum Jahresende 2012 ungenutzt hatte verstreichen lassen. Die Drohung reichte damals aus: Kurz nach Ablauf der zweiten Frist sorgte der Gesetzgeber am 30. Juni 2013 für die verfassungsrechtlich gebotenen Nachbesserungen.
Kern der aktuellen Debatte sind die im Regierungsentwurf vorgesehenen Privilegierungen für Firmenerben: Danach sollen Unternehmen mit einem Wert von weniger als 26 Millionen Euro weitgehend steuerfrei vererbt werden können. Bei einem Wert zwischen 26 und 90 Millionen Euro soll es zu einer Bedürfnisprüfung kommen, bei der der Erbe nachweisen muss, dass er die Steuerschuld nur würde begleichen können, indem er den Kern des Betriebsvermögens selbst dafür angreift. Erst ab einem Wert von 90 Millionen Euro soll die Erbschaftsteuer nach dem derzeitigen Entwurf unbedingt anfallen. Die Regierung begründet ihre Pläne u.a. mit dem Schutz von Arbeitsplätzen, die verloren zu gehen drohten, wenn Betriebe infolge der anfallenden Steuern aufgegeben würden – die Opposition hält die Befreiungen indes für zu weitgehend.
Constantin Baron van Lijnden, Nach Ablauf der Frist zur Neuregelung: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20013 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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