Richter des Bundesverfassungsgerichts Peter Müller wird im Verfahren zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nicht mitentscheiden. Er hatte ein solches Verbot als ehemaliger Ministerpräsident noch selbst unterstützt.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit am Dienstag veröffentlichtem Beschluss entschieden, über eine Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbststötung (§ 217 Strafgesetzbuch (StGB)) ohne Richter Peter Müller zu entscheiden. Er wird durch einen per Losverfahren zu bestimmenden Richter des Ersten Senats ersetzt (Beschl. v. 13.02.2018, Az. 2 BvR 651/16).
In einer 2001 in einer Kirche gehaltenen Kanzelrede bekannte sich Müller, damals Ministerpräsident des Saarlands, zum Grundsatz der "Nichtverfügbarkeit des Lebens", lehnte aktive Sterbehilfe ab und forderte zugleich mehr Begleitung und Hilfe für Sterbende. 2006 fand zudem unter seinem Vorsitz ein Treffen der Landesregierung mit Kirchenvertretern statt. Es mündete in einer gemeinsamen Presserklärung, in der die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" durch den Verein Dignitas Deutschland verurteilt wurde.
Danach wollte das Saarland zusammen mit Thüringen nach Gründung des Vereins gegen die Zulassung solcher Tätigkeiten vorgehen und für die Schaffung eines Straftatbestandes eintreten. Ministerpräsident Müller übersandte ebenfalls noch 2006 den entsprechenden Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung, der im Bundesrat jedoch keine Mehrheit fand. § 217 StGB beruht in der für das nun vom BVerfG zu entscheidende Verfahren relevanten Fassung allerdings auf einem Gesetzentwurf, der wiederum weitgehend mit dem von Müller 2006 übereinstimmt und auch mehrfach auf diesen und dessen Begründung Bezung nimmt.
Müller stieß Gesetzgebungsverfahren an
Der Senat betont in seiner Entscheidung, dass es nach den Bestimmungen über die Wahl von Bundesverfassungsrichtern selbstverständlich und sogar erwünscht sei, auch solche Kandidaten vorzuschlagen, zu wählen und zu ernennen, die vorher politische Funktionen in Parlamenten ausgeübt oder politische Ämter in Regierungen bekleidet haben. Maßstab für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit sei dabei nicht, ob ein Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist, sondern ob Verfahrensbeteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände an der Unvoreingenommenheit des Richters zweifeln könnten.
Da nach dem Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) eine bloße Mitwirkung an Gesetzgebungsverfahren nicht ausreicht, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, bedürfe es stets zusätzlicher Umstände, die eine besonders enge Beziehung des Richters zu dem zur verfassungsrechtlichen Prüfung anstehenden Gesetz geschaffen haben, so der Senat.
Eben solche Umstände liegen nach seiner Auffassung vor. Durch die Kanzelrede und die geäußerten Positionen zur Sterbehilfe habe Müller in einer klaren inhaltlichen, das Verfahren unmittelbar betreffenden Art und Weise Stellung bezogen. Ebenso habe er nicht nur einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der der Norm im anhängigen Verfahren sehr nahe komme. Auch der von ihm eingebrachte Gesetzesantrag sei mit einer Begründung versehen gewesen, die dezidiert verfassungsrechtlich argumentierte.
Bei alledem hat Müller nach Ansicht des Senats nicht bloß mitgewirkt, sondern als Ministerpräsident gar den politischen Anstoß für das Gesetzgebungsverfahren gegeben. Dafür spreche auch, dass er sich persönlich für ein politisch sehr umstrittenes Gesetz in der Öffentlichkeit besonders engagiert und sich dabei ausdrücklich gegen die Sterbehilfe gewandt habe. Daraus ergebe ich eine besonders enge, aus einer persönlichen Überzeugung abzuleitende Verbindung zu der Thematik, heißt es in der Entscheidung. Deshalb könne auch der "erhebliche Zeitablauf zu dem früheren Verfahren" die Besorgnis der Befangenheit nicht entfallen lassen.
ms/LTO-Redaktion
Wegen Besorgnis der Befangenheit: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27485 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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