Die Bildungsministerin hatte die AfD auf der Webseite des Ministeriums scharf kritisiert. Als Amtsträgerin muss sie sich jedoch neutraler zeigen, als sie es als Politikerin dürfte.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) musste am Samstag eine kritische Pressemitteilung mit dem Titel "Rote Karte für die AfD" von der Internetseite ihres Ministeriums entfernen lassen. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden und damit einem Antrag der Alternative für Deutschland (AfD) auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung stattgegeben.
Es sei nicht auszuschließen, dass Wanka durch Nutzung der Ressourcen ihres Ministeriums für den politischen Meinungskampf das Recht der Partei auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt hat. Bei der im einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmenden Folgenabwägung überwögen die Gründe für den Erlass der Anordnung, entschieden die Karlsruher Richter am Samstag (Beschl. v. 7.11.2015, Az. 1 BvQ 39/15).
Es ging um einen Kommentar von Wanka auf der Webseite des Ministeriums zu einer angemeldeten Versammlung der AfD in Berlin, die am vergangenen Sonntag, dem 7. November 2015 unter dem Motto "Asyl braucht Grenzen - Rote Karte für Merkel" stattfand. Die Bildungsministerin hatte sich dazu am 4. November 2015 auf der Internetseite des Ministeriums Hauses mit den Worten zitieren lassen: "Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub. Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung." Die AfD hatte moniert, dass dieser Kommentar nicht von Wankas Partei verbreitet worden war, sondern vom Ministerium.
Neutralitätsgebot könnte verletzt sein
Auch bei dem strengen Maßstab im einstweilige Rechtsschutzverfahren überwiegen nach Ansicht des Senats die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung. Ein zu einem späteren Zeitpunkt stattfindendes Organstreitverfahren wäre weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet. Das Gericht stellt dazu fest: Das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei in den politischen Wettbewerb einwirken.
Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb beeinträchtigt würde, so die Karlsruher Richter. Wanka habe als Inhaberin eines Regierungsamtes Möglichkeiten und Ressourcen genutzt, die ihr aufgrund dieses Regierungsamtes zur Verfügung stünden, den politischen Wettbewerbern aber verschlossen seien. Dass sie bei der Äußerung nicht ausdrücklich auf ihr Amt Bezug genommen habe, ändere daran nichts. Weil sie die Webseite des Ministeriums genutzt habe, aber kein Bezug zu den mit dem Ministeramt verbundenen Aufgaben erkennbar sei, hat sie nach Ansicht des 2. Senats möglicherweise ihr Neutralitätsgebot verletzt.
Im Urteil vom 16. Dezember 2014, (Az. 2 BvE 2/14) waren die Bundesrichter im Fall von Manuela Schwesig (SPD) zu einem anderen Ergebnis gekommen. Die Bundesfamilienministerin hatte in einem Zeitungsinterview gesagt: "Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt". Damit habe Schwesig jedoch nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, so die Verfassungsrichter im vergangenen Jahr. Mitglieder der Bundesregierung seien nur zu strikter Neutralität verpflichtet, soweit sie ihre Amtsautorität in Anspruch nehmen. Äußerungen, die dem politischen Meinungskampf zuzuordnen sind, unterliegen hingegen nicht dem Neutralitätsgebot.
ahe/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
BVerfG zum Neutralitätsgebot für Minister: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17480 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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