Die im VersAusglG vorgesehene externe Teilung von Betriebsrenten nach einer Ehescheidung ist nicht verfassungswidrig. Gerichte müssen fortan aber sicherstellen, dass Frauen nicht benachteiligt werden, entschied das BVerfG am Dienstag.
Die Art und Weise, wie Betriebsrenten bei einer Scheidung zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden, verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG). Die maßgebliche Vorschrift, § 17 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) ist mit dem GG vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag (Urt. v. 26.05.2020, Az. 1 BvL 5/18). Die Vorschrift könne, so die Karlsruher Richter, von den Gerichten verfassungskonform ausgelegt werden.
Wie die Rentenansprüche aufgeteilt werden, legt das Familiengericht grundsätzlich im Scheidungsurteil fest. Die Familiengerichte müssen künftig aber bei der Anwendung des § 17 VersAusglG im Rahmen einer "verfassungskonformen Auslegung" darauf achten, dass vor allem Frauen bei der Berechnung ihrer Ansprüche nicht systematisch benachteiligt werden, wie der künftige Gerichtspräsident Prof. Dr. Stephan Harbarth am Dienstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe sagte.
Rentenansprüche aus der Zeit der Ehe sollen nach der Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs grundsätzlich fair geteilt werden. Eher unproblematisch ist eine solche Aufteilung, wenn beide Partner beim selben Versorgungsträger, etwa der Deutsche Rentenversicherung Mitglied sind. Nach der Scheidung kommt es dann zu einer internen Verrechnung, bei der die Geschiedenen bei der Aufteilung des Erworbenen annähernd gleichgestellt werden.
Externe Aufteilung von Betriebsrenten prinzipiell verfassungskonform
In Karlsruhe ging es nun aber um die sogenannte externe Aufteilung von Betriebsrenten: Dabei erhält die zumeist ausgleichsberechtigte Frau - anders als bei allen anderen Renten - ihr Geld nicht automatisch vom selben Versorgungsträger, bei dem der zum Ausgleich verpflichtete Mann seine Rente hat. Die Ansprüche dürfen ausgelagert und an eine andere Unterstützungskasse übertragen werden - auch gegen den Willen der Frau. Im Wege dieser externen Teilung wollte der Gesetzgeber die Träger der betrieblichen Altersversorgung entlasten.
Das Problem jedoch: Bei der Übertragung kommt es wegen der Zinsentwicklung der letzten Jahre oft zu deutlichen Verlusten. Der zum Ausgleich verpflichtete Mann verliert dann die Hälfte seines Rentenanspruchs, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an. Das kann mehrere hundert Euro im Monat ausmachen.
Das BVerfG entschied nunmehr, dass bei verfassungskonformer Anwendung die Regelung zur externen Teilung aus der betrieblichen Altersvorsorge mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person vereinbar sei. § 17 VersAusglG wahre auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen, wenn die Gerichte den zu berechnenden Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger so bestimmten, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten habe.
"Übermäßige Transferverluste verhindern"
Bundesverfassungsrichter Harbarth stellte bei der Verkündung klar, dass die Gerichte im Rahmen der Aufteilung von Betriebsrenten die Interessen des Mannes, der Frau und des Arbeitgebers zu berücksichtigen hätten. Übermäßige Transferverluste müssten verhindert werden. Als vertretbare Obergrenze nennt das Urteil Verluste von maximal zehn Prozent.
Karlsruhe betonte weiter, dass die Nachteile der externen Teilung nicht um jeden Preis auf die ausgleichsberechtigte Person verlagert werden dürften. "Einer solch einseitigen Belastung der ausgleichsberechtigten Person sind durch das Grundgesetz auch wegen der faktischen Benachteiligung von Frauen enge Grenzen gesetzt, die hier aus der überwiegend praktizierten Aufteilung von familienbezogenen und berufsbezogenen Tätigkeiten zwischen den Ehepartnern resultiert", heißt es in einer zusätzlichen einführenden Erklärung des Gerichts zum heutigen Urteil. Ob die Grundrechte der Frauen am Ende gewahrt seien, sei "eine Frage der gerichtlichen Normanwendung im Einzelfall".
Das Verfahren in Karlsruhe ist auf einen Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm zurückzuführen. Das OLG Hamm sah in der Regelung des § 17 VersAusglG unter anderem eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG (OLG Hamm, Beschl. v. 09.10.2018, Az. II-10 UF 178/17).
Ernüchterung bei djb, DAV und DGB?
Die OLG-Richter gingen im Übrigen davon aus, dass zwischen 2009 und 2017 mindestens 90 Prozent aller Geschiedenen mit einer externen Teilung dadurch negative Folgen zu tragen hatten. § 17 VersAusglG komme bei schätzungsweise jeder 20. Scheidung zur Anwendung. Bei durchschnittlich 170.000 Scheidungen im Jahr entspreche das einer mittleren fünfstelligen Zahl.
Zuletzt hatten Beobachter des Verfahrens den Verlauf der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im März noch so gedeutet, dass das BVerfG § 17 VersAusglG für verfassungswidrig erklären könnte. Auch der Deutsche JuristInnenbund, Deutscher Anwaltverein und DGB beurteilten die Vorschrift als verfassungswidrig.
Nach der heutigen Entscheidung dürften bei ihnen wohl große Ernüchterung eingetreten sein.
Mit Material von dpa
BVerfG zum Versorgungsausgleich: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41720 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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