Ein Kartellrecht mit "Klauen und Zähnen" hatte Wirtschaftsminister Habeck angekündigt. Das kommt jetzt, nachdem der Bundestag am Donnerstagabend die Reformpläne absegnete. Kritiker sehen den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr.
Zusätzliche Kompetenzen für die Kartellbehörden sollen den Wettbewerb in der deutschen Wirtschaft fairer machen. Dieses Ziel verfolgt eine umstrittene Reform des Wettbewerbsrechts, die der Bundestag am Donnerstagabend verabschiedet hat.
Damit werden die Rechte des Bundeskartellamts (BKartA) erweitert, eine Verzerrung des Wettbewerbs in bestimmten Sektoren zu identifizieren und Gegenmaßnahmen anzuordnen. Der Gesetzgeber gibt dem BKartA u.a. ein neues Eingriffsinstrument im Bereich der sogenannten Sektoruntersuchung an die Hand. Im Rahmen dessen prüft die Kartellbehörde – wenn starre Preise oder andere Umstände dies vermuten lassen –, ob der Wettbewerb in einem ganzen Sektor, beispielsweise dem Kraftstoffmarkt, eingeschränkt ist.
Bisher endeten solche Sektoruntersuchungen mit einem Bericht des BKartA, künftig kann die Behörde stattdessen auch konkrete Abhilfemaßnahmen treffen, zum Beispiel Marktzugänge erleichtern, Konzentrationstendenzen stoppen oder in Extremfällen Unternehmen entflechten. Erleichtert wird ferner die staatliche Abschöpfung von Gewinnen, die ein Unternehmen durch Verstöße gegen das Kartellrecht eingefahren hat.
Verbandskritik: "Wirtschaftsstandort Deutschland weiter geschwächt"
Nach Einschätzung des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung (BGA) schwächt die Reform den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Unabhängig von jeglichen Rechtsverstößen kann das Bundeskartellamt nun empfindliche Maßnahmen gegen wirtschaftlich zu erfolgreiche Unternehmen treffen", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura am Freitag. Es reiche die Feststellung, dass der Wettbewerb "erheblich und fortwährend" gestört ist. Eine hohe Steuerlast und stetig steigende Energie-, Arbeits- und Bürokosten gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Jandura zufolge schon zu stark. Nun werde das BKartA zusätzlich zu massiven Eingriffen ermächtigt. "Dieses Gesetz schafft rechtliche Unsicherheit für Unternehmen in Deutschland und wird den Abfluss von Kapital aus Deutschland weiter beschleunigen", sagte der BGA-Präsident.
Auch der selbsterklärte politische Gegner sieht die Reformpläne von Robert Habeck (Grüne) kritisch: CDU-Politikerin Gitta Connemann, Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, bezeichnete das Vorhaben als "Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Künftig könne der Staat in den Markt eingreifen, ohne dass sich Betriebe etwas zuschulden kommen lassen haben.
Die Koalition wies das zurück. "Wettbewerb in einem Land sorgt für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes", sagte Wirtschaftsminister Habeck. Deshalb trage die Reform zur Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft bei.
Ins Rollen gekommen war die Debatte um ein verschärftes Kartellrecht, nachdem die Preise für Benzin und Diesel im vergangenen Jahr rasant in die Höhe geschnellt waren. Ein Kartellrechtsverstoß konnte damals nicht nachgewiesen werden. Habeck hatte daraufhin ein "Kartellrecht mit Klauen und Zähnen" angekündigt.
dpa/LTO-Redaktion
Reform des Kartellrechts beschlossen: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52181 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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