Ende 2021 hätte Deutschland die Richtlinie zum Hinweisgeberschutz umsetzen müssen. Nun wird es noch länger dauern, denn der Bundesrat hat den aktuellen Gesetzesentwurf blockiert.
Der Bundesrat hat das sogenannte Whistleblower-Gesetz gestoppt. Das im Dezember vom Bundestag beschlossene Gesetz erhielt dort am Freitag nicht die erforderliche Mehrheit. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärte, das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern gehe in seiner vorliegenden Fassung weit über die EU-Vorgaben hinaus. Es würde kleine und mittlere Unternehmen über Gebühr belasten. "Wir brauchen einfach mehr Augenmaß." Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) warnte, dass der vorgesehene anonymisierte Meldekanal auch die Gefahr von Missbrauch beinhalte. "Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde."
Das Gesetz wird nun voraussichtlich in den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag gehen.
Das Gesetz soll Menschen, die Hinweise auf Missstände in Behörden oder Unternehmen geben, besser vor Repressalien schützen. Es regelt Meldungen zu Betrügereien, Korruption und anderen Missständen. Die Hinweise können beispielsweise Verstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder gegen Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit betreffen. Auch mangelnder Schutz personenbezogener Daten oder Verstöße gegen Tierschutzvorschriften in landwirtschaftlichen Betrieben könnten dadurch leichter aufgedeckt werden.
Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser, betonte die Ampel habe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie darauf geachtet, die Belastungen gerade für kleine und mittlere Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Das Gesetz enthalte auch nur eine "maßvolle Erweiterung des Anwendungsbereichs" im Vergleich zur EU-Vorgabe. "Das Gesetz ist eine gute Umsetzung eines richtigen und wichtigen Gedankens."
Die Ampel halte an dem Gesetz weiter fest, berichtete der Bundestagsabgeordnete Till Steffen. "In der Ampel haben wir besprochen, dass wir den Gesetzentwurf inhaltsgleich in einer nicht zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag einbringen werden und zwar so schnell wie möglich. Am Schutz der Hinweisgerberinnen und Hinweisgeber wird es keine Abstriche geben", so Steffen.
"Was für ein Trauerspiel!"
Kritik kommt von der Organisation Transparency International: "Was für ein Trauerspiel! Die Union hat heute mit fachlich fragwürdigen und zum Teil schlicht unrichtigen Argumenten das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebenden blockiert", beanstandet Dr. Sebastian Oelrich, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeberschutz. Durch die Blockade im Bundesrat müssten die betroffenen Personen, die auf Missstände hinweisen und damit Zivilcourage beweisen, weiter auf einen verlässlichen Schutzschirm warten, so der Oelrich.
Auch bei Kriminologin und Gründerin einer Hinweisgebersoftware ( DISS-CO), Sarah Afshari, stößt die Entscheidung des Bundesrates auf Unverständnis: "Die nichtnachvollziehbaren Argumente von Prof. Dr. Roman Poseck aus Hessen, dass IT-Systeme für die Umsetzung des HinSchG zu einem Mehraufwand führe, ist schon fast lächerlich, wenn man bedenkt, dass eine sichere cloudbasierte Lösung ab 50 Euro im Monat schnell implementiert werden kann." Es sei ein trauriges Schauspiel, dass Deutschland nicht in der Lage ist, ein wichtiges Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern, die in der Vergangenheit viele relevante Fälle wie Wirecard und Dieselgate ans Tageslicht gebracht haben, auf den Weg zu bringen, so Afshari gegenüber LTO.
Spätestens Ende 2021 hätte Deutschland die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz umsetzen müssen.
cp/dpa/LTO-Redaktion
Artikel entspricht der Version vom 10.02.2023, 15:38 Uhr.
Whistleblowing: . In: Legal Tribune Online, 10.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51037 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag