Das BSG hat am Freitag entschieden, dass Werbefotografien in ihrer gesamten Bandbreite als Teil der "bildenden Kunst" im Sinne des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten einzustufen ist. Damit sind die dafür gezahlten Vergütungen mit der Künstlersozialabgabe belegt.
Hintergrund des Verfahrens war die Betriebsprüfung einer Rentenversicherung, die feststellte, dass die Klägerin der Abgabepflicht nach dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG) unterliege, weil sie ein Unternehmen betreibe, das sich mit der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte befasse und Künstler regelmäßig einschalte, um Aufträge ihrer Werbekunden zu erfüllen. Werbefotografien gehörten gattungsgemäß zur "bildenden Kunst" im Sinne des KSVG, wofür eine Künstlersozialabgabe zu entrichten sei.
Für die Illustration, Gestaltung, Bildbearbeitung etc. erteilte die Klägerin einem Fotografenmeister und einer Fotografin seit 2004 Aufträge für Werbefotografien, die sie zur Erfüllung von Aufträgen ihrer Kunden benötigte. Beide sind selbstständig tätig, betreiben Studios für Werbefotografie, befassen sich dabei zu einem erheblichen Teil beziehungsweise ausschließlich mit der Modefotografie und sind nicht selbst nach dem KSVG versichert.
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hatte der Klage stattgegeben: Die Fotografen seien weder als Künstler noch als Publizisten im Sinne des KSVG anzusehen. Sie seien für die Klägerin zwar als Werbefotografen tätig geworden, hätten dabei aber die handwerkliche Fotografie nicht verlassen. Die Werbefotografie sei nur dann künstlerisch, wenn der Betroffene mit seinen Werken in Fachkreisen als Künstler anerkannt und behandelt werde.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen: Nach der Entstehungsgeschichte des KSVG sei die Werbefotografie in ihrer gesamten Bandbreite als Teil der "bildenden Kunst" im Sinne des § 2 KSVG einzustufen. Eine Unterscheidung zwischen handwerklicher und künstlerischer Betätigung sei bei der Werbefotografie - anders als beim Kunsthandwerk - nicht vorzunehmen. Es komme allein darauf an, dass eine Fotografie zu Werbezwecken hergestellt werde.
Der Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen (Urt. v. 26.11.2010, Az. B 3 KS 1/10 R) und seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Die Einwände der Klägerin und des SG gegen die Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum KSVG und des Künstlerberichts griffen nicht durch. Es treffe zwar zu, dass der Künstlerbericht im Bereich "Bildende Kunst/Design" mehrere Berufe erwähne, die zum breiten Gebiet des Kunsthandwerks zählen (z.B. Keramiker, Glas-, Textil-, Holz- und Metallgestalter) und als Handwerksberufe deshalb nur dann zur Kunst im Sinne des § 2 KSVG gehören, wenn sich der Betroffene zum Beispiel schwerpunktmäßig als Produktdesigner betätige oder er in einschlägigen Fachkreisen trotz seiner kunsthandwerklichen Ausrichtung als "bildender Künstler" anerkannt sei. Eine vergleichbare Ungenauigkeit finde sich im Bereich der Werbung aber nicht.
Hätten die Verfasser des Künstlerberichts - und ihnen folgend der Gesetzgeber des KSVG - nur solche Formen und Produkte der Werbefotografie in den Kunstbegriff einbeziehen wollen, die im herkömmlichen Sinne künstlerische Qualität aufweisen oder eine künstlerische Werkhöhe repräsentieren, hätte es nahe gelegen, auf die gesonderte Aufführung des Berufs des Werbefotografen gänzlich zu verzichten, weil die künstlerischen Teile der Werbefotografie bereits durch die im Künstlerbericht ebenfalls erwähnten Berufsfelder der künstlerischen Fotografie und des Fotodesigns abgedeckt wären. Für die Einbeziehung der Werbefotografie in ihrer gesamten Bandbreite spreche ferner der Umstand, dass auch die anderen Berufsfelder, die am kreativen Prozess der bildlichen und textlichen Gestaltung von Werbung und Werbemitteln beteiligt sind, insgesamt und ohne Differenzierung nach künstlerischer oder publizistischer Qualität beziehungsweise Werkhöhe und ohne Berücksichtigung der Breite des gestalterischen Spielraums im Einzelfall dem Anwendungsbereich des § 2 KSVG zugeordnet worden sind (zum Beispiel Werbefilmregisseure, Werbesprecher, Werbegrafiker und - als Publizisten - Werbetexter).
Die Ausbildung eines Werbefotografen als Fotografenhandwerker steht der Einstufung als "bildender Künstler" im Sinne des § 2 KSVG nicht entgegen, wenn er als Werbefotograf das handwerkliche Berufsfeld verlässt. Werbefotografen sind damit mit Pressefotografen vergleichbar, die ebenfalls unabhängig von ihrer Ausbildung und der künstlerischen Qualität ihrer Bilder allein deshalb - als Publizisten - von § 2 KSVG erfasst werden, weil ihre Tätigkeit einem bestimmten Zweck dient (Pressefotografie, Bildjournalismus, Bildberichterstattung), der vom Berufsfeld des Fotografenhandwerks nicht umfasst wird.
BSG: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2033 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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