In Brandenburg sollen Ausreisepflichtige, die rechter Gewalt zum Opfer fallen, nicht abgeschoben werden. Auf Bundesebene soll es aber kein Bleiberecht für Betroffene rechter Gewalt geben, stellt das BMI klar.
Der Bundestag musste sich mit der Thematik aufgrund einer Kleinen Anfrage befassen (BT, Drucksache 18/10857). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte wissen, ob aus Sicht der Bundesregierung etwas gegen die Annahme spricht, "dass ein Bleiberecht für Betroffenen rechter Gewalt eine generalpräventive Wirkung entfalten könnte".
Die Landesregierung in Brandenburg hatte Ende 2016 einen Erlass beschlossen, nach dem Ausreisepflichtigen, die Opfer rechter Gewalt werden, ein vorübergehendes Bleiberecht in Deutschland zugestanden werden soll. Auch der Landtagsbeschluss und der Erlass der Brandenburger Landesregierung, beruhen auf einem Antrag der Grünen im Landtag.
Die Frage gewinnt bundesweit an Bedeutung, in Thüringen hat Rot-Rot-Grün die Forderung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, auch in Berlin gibt es derartige Überlegungen. Auf Bundesebene dürfte damit vorerst nicht zu rechnen sein: Das Aufenthaltsgesetz in der derzeitigen Fassung enthalte den notwendigen Spielraum, um für Opfer von Gewalt zu sachgerechten Lösungen im konkreten Fall zu kommen, heißt es in der Antwort aus de Maizières Ministerium.
BMI: Nicht der Zweck des Aufenthaltsgesetzes
Der Befürchtung der Grünen, dass Betroffene rechter Gewalt häufig vor der Durchführung eines Strafverfahrens abgeschoben werden, begegnet das BMI mit dem Hinweis auf die de lege lata bestehende Möglichkeit von Staatsanwaltschaft oder Strafgericht, eine Duldung für die Dauer des Strafverfahrens zu erteilen, wenn sie das für sachgerecht halten (" 60a Abs. 2 S. 2 Aufenthaltsgesetz). Auch andere dringende humanitäre oder persönliche Gründe sowie erhebliche öffentliche Interessen machten eine Duldung möglich, auch wer vollziehbar ausreisepflichtig sei, könne in bestimmten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Zudem sei es, so das BMI, dem deutschen Rechtssystem "grundsätzlich fremd, ein bestimmtes Fach-Recht – hier das Aufenthaltsrecht – aus generalpräventiven Gründen gegenüber vermeintlichen Tätern und zur Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer einzusetzen". Das würde aber geschehen, wenn das Opfer wegen seiner Opfereigenschaft mit einer aufenthaltsrechtlichen Besserstellung bedacht wird. "Regelungen zur Wiedergutmachung finden ihren Niederschlag in den Opfer- oder Entschädigungsgregelungen, nicht aber in von strafrechtlichen Wertungen unabhängigen Fachgesetzen", ein Aufenthaltsrecht als Wiedergutmachung für in Deutschland erlittenes Unrecht sei nicht Zweck des Aufenthaltsgesetzes.
Das Ministerium weist auch auf den Gleichheitsgrundsatz hin: Ein allgemeines gruppenbezogenes Bleiberecht würde ausländische Opfer rechter Gewalt gegenüber anderen, ausländischen wie deutschen Gewaltopfern privilegieren.
pl/nas/LTO-Redaktion
BMI stellt klar: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21999 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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