Eine Frau behauptet, seit der Corona-Impfung unter Schmerzen und Schwindel zu leiden, und verlangt vom Hersteller Biontech Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das OLG Koblenz lehnte einen Anspruch ab, ließ jedoch Revision zu.
Der Impfstoffhersteller Biontech hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz einen Sieg eingefahren. Das Gericht wies die Berufung einer Frau zurück, die wegen behaupteter Schmerzen aufgrund der Corona-Impfung Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt (Urt. v. 10.07.2024, Az. 5 U 1375/23).
Die klagende Frau trug im Wesentlichen vor, wenige Tage nach der ersten Impfung unter starken Kopfschmerzen und einem immer intensiveren Schwindel gelitten zu haben. Diese Symptome hätten sich nach der zweiten Impfung sogar noch verstärkt. Sie leide daran bis heute, habe ein unsicheres Gangbild, sei fallgeneigt und müsse regelmäßig gestützt werden. Dies führe zu erheblichen Folgebeeinträchtigungen, insbesondere auch in Bezug auf ihre Belastbarkeit. Sie verlangt daher vor allem immateriellen Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro.
Das Landgericht hatte ihre Klage abgewiesen. Auch die Berufung vor dem OLG Koblenz wurde nun zurückgewiesen. Allerdings hat das OLG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, sodass sich möglicherweise noch der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall beschäftigen wird.
Arzneimittelgesetz regelt Gefährdungshaftung
Der Senat hatte vor allem zu klären, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) vorliegen. Die Norm regelt eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für Hersteller. Das heißt, für einen Anspruch kommt es allein darauf an, ob zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung eine Verbindung nachweisbar ist. Eine solche hat die klagende Frau laut Senat nicht nachweisen können.
Das hätte im Ergebnis laut Senat aber auch nichts geändert. Nach § 84 Abs. 1 AMG gibt es nämlich Ausnahmen von der Schadensersatzpflicht für Impfstoffhersteller. Es kommt danach auf die Frage an, ob der jeweilige Corona-Impfstoff "schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen". Es findet also eine dem Schadensrecht eigentlich fremde Bewertung der Schäden auf "Vertretbarkeit" statt, wie Dr. Max Kolter an dieser Stelle für LTO bereits ausführlich darlegt.
Keine grundsätzlich "schädliche Wirkung" des Biontech-Impfstoffs
Eine "schädliche Wirkung" hat der Senat hier aber nicht erkennen können. Er zeigte sich stattdessen von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des eingesetzten mRNA-Impfstoffes Comirnaty überzeugt gezeigt. Dabei könne laut dem Senat dahinstehen, ob schon die europäische Zulassung eine Verantwortung des Herstellers ausschließe. Vielmehr sei der Senat auch aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen der Europäischen Arzneimittelagentur, von deren Ausschüssen und dem nationalen Paul-Ehrlich-Institut eigenständig von dem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugt.
Außerdem stellte der Senat darauf ab, dass es bezogen auf die Gesamtheit aller Personen, die potenziell geimpft werden konnten und sollten, "keinen hundertprozentigen Schutz" gebe; dies sei auch nicht die "versprochene" Wirkung des Impfstoffs. Der Senat erkennt in seiner Entscheidung Risiken in Form von Nebenwirkungen an, allerdings überwiege der Nutzen die Risiken bei Weitem. Dem von der Verwirklichung eines Risikos Betroffenen werde ein "vertretbares Opfer zum Nutzen der Gesamtheit" abverlangt, wie Dr. Max Kolter an dieser Stelle für LTO bereits ausführte.
Aus der Verwirklichung eines Risikos im Einzelfall könne aber nicht auf die Unwirksamkeit des Arzneimittels im Allgemeinen und damit ein den Nutzen überwiegendes Risiko geschlossen werden, so der Senat.
Auch kennzeichnungsrechtliche Vorgaben eingehalten
Der Senat hat auch keine unrichtige Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation zu dem mRNA-Impfstoff Comirnaty gesehen. Die gesetzlich relevanten Produktinformationen seien vielmehr nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse richtig gewesen und fortlaufend aktualisiert worden. Die Produktinformationen seien auch frei zugänglich, die klagende Frau hätte sich darum nur bemühen müssen.
Der Schadensersatzprozess vor dem OLG Koblenz ist nicht präzedenzlos: Auch AstraZeneca wurde bereits in einem ganz ähnlich gelagerten Fall verklagt – jedoch ebenfalls erfolglos (LTO berichtete).
PM/kj/LTO-Redaktion
OLG Koblenz zur Klage gegen Biontech: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54979 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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