Corona hat die Urlaubspläne vieler Menschen platzen lassen. Unzählige Reisen wurden storniert - aber nicht immer geht das ohne finanzielle Verluste. Letztlich kommt es auf die Umstände im Einzelfall an, zeigt der BGH in drei ausgewählten Fällen.
Gerade in den ersten Corona-Monaten sind viele Urlauber von ihren Buchung zurückgetreten - wann geht das kostenlos, wann werden Stornogebühren fällig? Pauschal beantworten lässt sich das nicht, wie die ersten Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dienstag zeigen. In Kombination mit der Art der Reise können Alter und Vorerkrankungen eine Rolle spielen. Entscheidend sind aber immer die genauen Umstände im Einzelfall (Urt. v. 30.08.2022, Az. X ZR 66/21 u.a.).
Aber egal ob das Reiseziel wie in den verhandelten Fälle die Donau, Ostsee oder Mallorca war. Der rechtliche Ausgangspunkt war in allen Verfahren derselbe: Kann der Reiseveranstalter dem Rückzahlungsanspruch der Pauschalurlauber einen eigenen Entschädigungsanspruch entgegenhalten?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht in § 651h Abs. 1 S. 3 nämlich für den Reiseveranstalter einen Entschädigungsanspruch vor, wenn der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt – die Stornogebühren. Der Anspruch ist aber nach § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn am Reiseziel unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, welche die Reise erheblich beeinträchtigen.
Corona-Pandemie ist außergewöhnlicher Umstand
Wie der BGH nun noch einmal verdeutlichte, ist der Ausschlusstatbestand nicht erst einschlägig, wenn die Reise gar nicht möglich ist, sondern bereits dann, wenn sie nur mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden wäre. Abzustellen ist hierfür auf sie Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie ist laut BGH ein solcher außergewöhnlicher Umstand, der zumindest im Sommer 2020 das Potenzial hatte, eine Reise erheblich zu beeinträchtigen. Um diesen Zeitraum ging es in allen drei Fällen, die zur Verhandlung ausgewählt wurden.
Und dann wird es doch relevant, welcher Urlauber sich für welches Reiseziel entschieden hat. Die Fälle seien nämlich nur auf den ersten Blick ähnlich gelagert, sagte der Senatsvorsitzende Klaus Bacher bei der Urteilsverkündung. Tatsächlich spielen jeweils unterschiedliche Faktoren eine Rolle:
1. Mit Mitte 80 und anfälliger Lunge auf Flusskreuzfahrt?
Der Fall: Eine 84-Jährige wollte im Juni 2020 eine Flusskreuzfahrt auf der Donau machen. Da sie schon öfter Probleme mit Lungen- und Bronchialentzündungen hatte, riet ihr die Hausärztin dringend ab. Zwei Wochen vor Reisebeginn stornierte die Frau ihre Buchung aus dem Januar. Die Kreuzfahrt fand mit Hygienekonzept statt. So galt Maskenpflicht auf den Gängen, und im Speisesaal wurde in zwei Schichten gegessen. Außerdem gingen statt 176 nur 100 Passagiere an Bord. Die Reise sollte ziemlich genau 1.600 Euro kosten. Der Veranstalter wollte von der Frau 85 Prozent Stornogebühren.
Die Entscheidung: Die Frau muss nichts bezahlen. Ihr Alter kann zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Denn zum Zeitpunkt der Buchung sei es völlig egal gewesen, in der Pandemie aber plötzlich zum Risikofaktor geworden, sagte Bacher. Gleichzeitig habe das zuständige Landgericht zu Recht angenommen, dass das Ansteckungsrisiko wegen der beengten Verhältnisse an Bord deutlich größer gewesen sei als zu Hause. Und es habe noch keine Impfungen und Therapien gegeben. Wichtig: Darauf können sich keine Senioren berufen, die noch nach Ausbruch der Pandemie eine Reise gebucht haben. Hier dürften die Gerichte davon ausgehen, dass sie wussten, worauf sie sich einlassen.
2. Nicht nach Mallorca, weil das Hotel geschlossen ist?
Der Fall: Ein Mann hatte für zwei Erwachsene und ein Kind für Juli 2020 eine Pauschalreise auf die spanische Ferieninsel Mallorca gebucht. Mit Flügen und Halbpension sollte der Urlaub etwas mehr als 3.500 Euro kosten. Anfang Juni erklärte der Mann den Rücktritt. Das gebuchte Hotel war damals laut Landgericht "pandemiebedingt nicht geöffnet". Es machte auch im Juli nicht wieder auf.
Die Entscheidung: Das geschlossene Hotel allein ist für den BGH kein Grund, dem Mann die Stornogebühren zu erlassen. Bacher sagte, es gebe zwar Fälle, in denen die Auswahl eines ganz bestimmten Hotels für den Urlauber eine besondere Rolle spiele. Davon könne aber nicht generell ausgegangen werden. Hier gab es in derselben Anlage noch ein zweites Hotel einer besseren Kategorie - der Veranstalter hätte also die Möglichkeit gehabt, der Familie eine Alternative anzubieten. Das zuständige Landgericht muss sich den Fall jetzt noch einmal anschauen. Denn aus dem bisherigen Urteil geht auch nicht klar genug hervor, wie sonst die Corona-Lage am Urlaubsort war.
3. Für eine Kreuzfahrt bezahlen, die nie stattfand?
Der Fall: Ein Mann hatte für August 2020 eine Ostsee-Kreuzfahrt gebucht und bei einem Gesamtpreis von mehr als 8.000 Euro rund 3.200 Euro angezahlt. Ende März trat er vom Vertrag zurück. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts vor "nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland". Einige Monate später, im Juli, sagte der Veranstalter die Kreuzfahrt komplett ab. Von dem Kunden behielt er einen Teil der Anzahlung ein.
Die Entscheidung: Die BGH-Richter neigen dazu, in solchen Fällen auch die nachträgliche Entwicklung zu berücksichtigen. Sie meinen, dass man sich nicht nur den Zeitpunkt des Rücktritts anschauen kann. Für Pauschalreisen gibt es allerdings in einer EU-Richtlinie einheitliche Regeln. Der Senat will deshalb zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dem Aspekt abwarten. Dort hatten die Karlsruher Richter bereits Anfang August in einem anderen Fall angefragt. Das Verfahren zur Kreuzfahrt wird solange ausgesetzt.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
BGH zu Pauschalreisen: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49478 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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