Strafermittler dürfen im Rahmen von Ermittlungen bei Versandunternehmen Auskünfte erfragen – aber nur, solange die Pakete noch nicht weitergeleitet wurden, entschied nun der BGH. Für Eingriffe darüber hinaus fehle die Rechtsgrundlage.
Postunternehmen dürfen Ermittlern keine Auskunft über Briefe und Sendungen erteilen, die schon zugestellt wurden. Insbesondere für die Herausgabe von Name und Anschrift der Absender sieht der Bundesgerichtshof (BGH) keine Rechtsgrundlage. Das geht aus einem Beschluss hervor, der am Montag veröffentlicht wurde (Beschl. v. 20.02.2019, Az. StB 51/18).
Die Entscheidung ist eine Niederlage für den Generalbundesanwalt (GBA), der die Informationen für laufende Ermittlungen benötigte. Dabei ging es um den Verdacht eines Kriegsverbrechens. Der Ermittlungsrichter des BGH sollte mehrere Dienstleister zur Auskunft über die sogenannten retrograden Postdaten verpflichten. Das hatte dieser verweigert. Mit dem Beschluss lehnte der 3. Strafsenat nun die Beschwerde des GBA dagegen ab.
§ 99 der Strafprozessordnung (StPO) erlaubt Ermittlern, Sendungen und Telegramme zu beschlagnahmen, solange sie sich im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden. Das beinhaltet auch die Verpflichtung des Unternehmens, die zugehörigen Daten herauszugeben.
Auskunftsanspruch erstreckt sich nicht auf zugestellte Sendungen
Auf bereits weitergeleitete Post erstreckt sich diese Ermächtigung laut BGH allerdings nicht. Es fehle die gesetzliche Grundlage, die es für Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 2 Grundgesetz (GG) generell braucht. In Rechtsprechung und Literatur war die Rechtsfrage bis dahin umstritten. Der 3. Strafsenat hat nun dahingehend entschieden, dass weder § 99 StPO in direkter oder entsprechender Anwendung, noch § 94 StPO Rechtgrundlage für die Beschlagnahme retrograder Postdaten sein könnten. § 94 erlaubt allgemein die Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken.
Nach dem eindeutigen Wortlaut erstrecke sich die erste Vorschrift nur auf die Postsendungen, die sich noch im Gewahrsam der Postunternehmen befänden, nicht hingegen auf die bereits weitergeleiteten, entschied der BGH. Aus diesem Grund sahen die Karlsruher Richter auch die Voraussetzung für eine Analogie nicht als erfüllt an. Neben der Regelungslücke fehle es an vergleichbaren Fallkonstellationen, so der Senat. Die Auskunftsverpflichtung für retrograde Postdaten sei nämlich kein Minus zu einer nicht mehr möglichen Beschlagnahme, sondern vielmehr ein Aliud dazu.
Auch § 94 StPO sei als Rechtgrundlage nicht ausreichend. Das Postgeheimnis müsse einem staatlichen Eingriff nämlich ausnahmsweise nur dann weichen, wenn die Befugnisnorm auch ausdrücklich postalische Vorgänge erfasse, entschied der 3. Strafsenat. Allgemeine Auskunftspflichten sollten davon aber gerade nicht erfasst werden. Zur Änderung dieses "möglicherweise unbefriedigenden Rechtszustandes" sei allein der Gesetzgeber berufen, so der BGH.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BGH zu Auskunftsansprüchen von Strafverfolgungsbehörden: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36203 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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