Der BGH hat zwei Entscheidungen zur Untersuchungshaft von IS-Rückkehrerinnen getroffen. Für den dringenden Tatverdacht der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung braucht es demnach mehr als nur das alltägliche Leben im "Kalifat".
Frauen, die mit ihrem Mann und ihren Kindern zum Islamischen Staat (IS) gereist sind, haben sich nicht zwangsläufig als Mitglied einer Terrorvereinigung strafbar gemacht. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag anhand zweier Fälle aus München und Berlin klar. Beide Frauen waren als IS-Rückkehrerinnen in Untersuchungshaft gekommen. In dem einen Fall hob der BGH nun den Haftbefehl auf, im anderen verlängerte er ihn (Beschl. v. 21.04.2022, Au. AK 14/22 und AK 18/22)
Beide Frauen waren vor Jahren freiwillig nach Syrien gegangen und im Oktober 2021 in einer größeren Gruppe von der Bundesregierung aus einem Gefangenenlager zurückgeholt worden. In den Haftbefehlen wurde ihnen jeweils die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und die Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht vorgeworfen.
Die hier für die Sechs-Monats-Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 Strafprozessordnung (StPO) zuständigen obersten Strafrichterinnen und -richter in Karlsruhe teilten nun mit, dass eine Islamistin nicht automatisch zum IS-Mitglied oder zur IS-Unterstützerin wird, wenn sie ihrem Mann beim IS den Haushalt führt und die Kinder dort großzieht. Das gelte nur, "wenn die in die Organisation eingebundene Täterin deren Aktivitäten auch durch weitere Handlungen fördert".
In dem Berliner Fall war die Beschuldigte mit den Kindern vorausgereist, um ihrem noch zögerlichen Mann auf die Sprünge zu helfen. In Syrien habe sie seine Zweifel an terroristischen Aktivitäten zerstreut und ihre Kinder ideologisch erzogen. Außerdem habe sie noch im Lager auf dem Messenger-Dienst "Telegram" einen jihadistischen Kanal erstellt und bei "Glaubensgeschwistern" um Spenden für IS-Anhängerinnen geworben. Ihre Handlungen hätten sich laut BGH nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug dargestellt. Für den BGH ist die Frau deshalb der IS-Mitgliedschaft dringend verdächtig - das rechtfertigte die Verlängerung der U-Haft.
Bei der zweiten Frau hingegen "erschöpfte sich das Verhalten der Beschuldigten in einem alltäglichen Leben im "Kalifat"", wie es weiter hieß. Sie habe damit wahrscheinlich nur ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht verletzt, was keine U-Haft mehr rechtfertige. Die Freilassung der Frau war schon Ende April bekanntgeworden.
dpa/acr/LTO-Redaktion
BGH zur Untersuchungshaft von IS-Rückkehrerinnen: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48433 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag