Er sprühte Parolen an Schulen und marschierte mit anderen in schwarz und Militärformation durch die Stadt. Bestraft hat das LG Koblenz den Rechtsradikalen trotzdem nicht. Der BGH beanstandet das als "durchgreifend rechtsfehlerhaft".
Rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Und zwar auch bei Taten, die bereits vor dem Inkrafttreten von § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) begangen wurden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag (Urt. v. 20.8.2020, Az. 3 StR 40/20). Die Neuregelung der Strafzumessungsnorm im Jahr 2015 hatte lediglich klarstellende Bedeutung, urteilte der 3. Strafsenat.
In einer Sommernacht im Juli 2011 hatten der Angeklagten und andere Rechte zunächst mehrere Schulgebäude mit Graffitiparolen wie "Hitzefrei statt Völkerbrei", "Die Deutsche Jugend wehrt sich" und "Bad G. bleibt deutsch" besprüht. Einige Monate später, im November 2011, beteiligten sie sich am so genannten "Marsch der Unsterblichen", einer Aktionsform der rechten Szene. Sie trugen Banner mit Aufschriften wie "Volkstod stoppen" und marschierten mit Fackeln durch die Innenstadt, Parolen wie "frei, sozial und national" skandierend. Die Marschierenden waren alle schwarz gekleidet und trugen weiße Gesichtsmasken. In in ihrer Militärformation erweckten sie Erinnerungen an Fackelzüge des "Dritten Reichs".
Das stellte auch das Landgericht Koblenz so festgestellt. Die dortige Staatsschutzkammer verurteilte die Männer zwar wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz. Von einer Strafe sah die Kammer aber ab (Urt. v. 16.7.2019, Az. 2090 Js 29752/10 12 KLs), ein Verfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung war bereits eingestellt.
Diese Strafzumessung hat der u.a. für Staatsschutzssachen zuständige 3. Strafsenat des BGH als "durchgreifend rechtsfehlerhaft" beanstandet. Das LG habe keine Gesamtabwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände vorgenommen, sondern bloß bloß strafmildernde Gesichtspunkte berücksichtigt, insbesondere die Belastung des Angeklagten wegen der langen Verfahrensdauer und der mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Nachteile. Strafschärfend hätte das Landgericht aber, so der BGH, berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte eine fremdenfeindliche Tatmotivation hatte, die in der Tat zum Ausdruck kam.
Dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien, wurde zwar erst im Jahr 2015 in 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich geregelt. Es gelte aber auch für Taten, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung begangen wurden, da die Änderung lediglich klarstellende Bedeutung gehabt habe, so der BGH. Das LG muss über die Rechtsfolgen nun neu entscheiden.
ast/LTO-Redaktion
BGH zur Strafzumessung: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42562 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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