Weil eine Richterin das achtwöchige Dienstleistungsverbot nach der Entbindung missachtet hat, muss ein Strafprozess neu aufgerollt werden. Das Gericht war fehlerhaft besetzt, entschied der BGH.
Die Mitwirkung einer im Mutterschutz befindlichen Richterin führt zur fehlerhaften Besetzung des Gerichts. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb ein Urteil des Landgerichts (LG) Darmstadt aufgehoben. Dort hatte eine Richterin an der Hauptverhandlung teilgenommen, obwohl ein Dienstleistungsverbot bestand.
Die Richterin wurde während der Hauptverhandlung schwanger. Für die Weihnachtstage und Neujahr 2013/14 wurde die Verhandlung für ca. zwei Wochen unterbrochen. Beim Fortsetzungstermin Anfang Januar war die Richterin auch wieder anwesend – nun aber ohne Bauch. Den genauen Termin der Entbindung teilte das Gericht auf Nachfrage der Verteidigung zwar nicht mit, da dies in die Privatsphäre der Richterin falle. Aus dem zeitlichen Abstand der Termine ergab sich aber, dass mindestens einer davon im Schutzbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) gelegen haben musste, der eine Beschäftigung der Mutter während der ersten acht Wochen nach der Geburt untersagt.
Den von der Verteidigung erhobenen Besetzungseinwand wies die Kammer jedoch zurück: Die Vorschrift sei nicht maßgeblich für die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts. Der Richterin stehe aufgrund ihrer Unabhängigkeit die Ausübung des Richteramts in der Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes frei. Ein überobligatorischer Einsatz könne ihr nicht untersagt werden. Der Rechtskreis der Angeklagten sei vom Schutzzweck des § 6 Abs. 1 MuSchG nicht berührt.
Das sah der BGH nun anders (Urt. v. 07.11.2016, Az. 2 StR 9/15). Aus § 6 Abs. 1 MuSchG in Verbindung mit Überleitungsregeln des Landesrechts folge ein absolutes Dienstleistungsverbot. Es stehe danach nicht im Belieben der Richterin, ob sie von dem gesetzlichen Mutterschutz Gebrauch macht oder darauf verzichtet. § 6 Abs. 1 MuSchG wolle der Mutter diesen Entscheidungsdruck für die Zeit nach der Entbindung gerade nehmen. Die Fortsetzung einer Hauptverhandlung in der Mutterschutzfrist führe daher zu einem Besetzungsfehler des Gerichts, der einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 338 Nr. 1 der Strafprozessordnung (StPO) begründe.
acr/LTO-Redaktion
BGH zu Mutterschutz für Richterin: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21084 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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