Erstmals hat der BFH genaue Berechnungsparameter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten festgelegt und weitere Fragen geklärt. Ergebnis: Bisher passt alles, aber in Zukunft könnte es knapp werden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil von Montag Berechnungsgrundlagen zur doppelten Besteuerung von Renten festgelegt und damit eine drohende Doppelbesteuerung künftiger Rentnergenerationen aufgezeigt (Urt. v. 19.5.2021, Az. X R 33/19). In einem zweiten Urteil hat er außerdem entschieden, dass es bei privaten Renten systembedingt nicht zu einer doppelten Besteuerung kommen kann (Urt. v. 19.5.2021, Az. X R 20/19).
Geklagt hatten vor dem BFH ein Steuerberater und ein Zahnarzt. Beide erhalten seit einigen Jahren Rente und beide waren der Auffassung, dass ihre Renten – zumindest in Teilen – doppelt besteuert würden, was verfassungswidrig sei. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Beide scheiterten mit ihren Anträgen. Spannend sind die Urteile des BFH aber trotzdem, denn es werden wichtige Streitfragen, die seit der Neuregelung der Rentenbesteuerung von 2005 schwelen, beantwortet.
Damals hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt, dass Rentner ohne weitere steuerpflichtige Einkünfte neben ihrer Rente praktisch keine Einkommensteuer zahlten, während beispielsweise ehemalige Beamte oder Empfänger von Betriebspensionen ihre Bezüge voll versteuern mussten. Darin erkannte das BVerfG eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung und verpflichtete den Gesetzgeber zur Neuregelung (Urt. v. 6.3.2002, Az. 2 BvL 17/99).
Dem kam der Gesetzgeber nach und legte fest, dass ab 2005 nicht nur Pensionen, sondern auch Rentenbezüge grundsätzlich voll einkommensteuerpflichtig sind. Im Gegenzug können Steuerpflichtige aber ihre Altersvorsorgeaufwendungen, also vor allem Beiträge zur Rentenversicherung, steuerlich absetzen. Allerdings stellte der Gesetzgeber nicht sofort alle Rentenversicherungsbeiträge steuerlich frei, sondern schuf sehr lang wirkende Übergangsregelungen.
Besteuerung von Renten I – X R 33/19
In dem Verfahren des Steuerberaters beschäftigte sich der BFH nun mit der Frage, ob diese Übergangsregelungen zu einer doppelten Besteuerung führen und wie man eine solche überhaupt berechnen und ermitteln kann. Der ehemalige selbständige Steuerberater war gesetzlich rentenversichert und zahlte die Rentenbeiträge überwiegend aus seinem eigenen Einkommen. Diese Aufwendungen konnte er entsprechend der Übergangsregelungen nur teilweise steuerlich absetzen. 2007 ging er dann in Rente und wandte sich nun gegen den Steuerbescheid für das Jahr 2008. Aufgrund der Übergangsregelungen behandelte das Finanzamt 46 Prozent der ausgezahlten Rente als steuerfrei, während es für die restlichen 54 Prozent Einkommensteuer erhob. Der Steuerberater legte jedoch eigene Berechnungen vor, nach denen er rechnerisch weit mehr als 46 Prozent seiner Rentenbeiträge aus seinem bereits versteuerten Einkommen geleistet hatte. Daher war er überzeugt, dass er verfassungswidrig doppelt besteuert wurde.
Dieser Auffassung folgte der BFH im konkreten Fall jedoch nicht. Er stellte zunächst klar, dass Renten "unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen", besteuert werden könnten. Außerdem stellte er Berechnungsparameter für eine doppelte Besteuerung auf: Zum steuerfreuen Rentenbezug seien sowohl die jährlichen Rentenfreibeträge des Beziehers als auch die Beträge eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen. Unberücksichtigt müsste hingegen beispielsweise der sogenannte Grundbetrag bleiben, der das "steuerliche Existenzminimum" sichern soll. Zudem hat der BFH auch die Berechnung des Teils der Rentenversicherungsbeiträge spezifiziert, der aus versteuertem Einkommen erbracht wird.
Für den klagenden Steuerberater kam der BFH damit nicht zu einem anderen Ergebnis als das Finanzamt und wies die Klage ab. Allerdings sehen die Übergangsregelungen vor, dass der Rentenfreibetrag der Rentenbezüge immer weiter verringert wird. Aber auch künftige Rentnergenerationen würden erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet haben, sodass dann möglicherweise eine Doppelbesteuerung vorliegen könnte, warnt der BFH. Der Rentenfreibetrag dürfe dann in vielen Einzelfällen nicht mehr ausreichen, die aus dem versteuerten Einkommen gezahlten Rentenbeiträge zu kompensieren.
Insgesamt hält der BFH also – wie in der Vergangenheit bereits durch das BVerfG bestätigt – daran fest, dass "sowohl der mit dem Alterseinkünftegesetz eingeleitete Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen als auch die gesetzlichen Übergangsregelungen im Grundsatz verfassungskonform sind". Es dürfe aber nicht im Einzelfall zu einer möglichen Doppelbesteuerung kommen.
Besteuerung von Renten II – X R 20/19
Der im zweiten Verfahren klagende Zahnarzt erhielt im Jahr 2009 eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung sowie Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung und bezog außerdem mehrere "Rürup"-Renten plus Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente inklusive Höherleistungen einen Besteuerungsanteil von 58 Prozent und einen steuerfreien Betrag von 42 Prozent an. Daneben wurden unter Anwendung der Öffnungsklausel die Rürup-Rente mit dem Besteuerungsanteil und die privaten Leibrenten mit dem Ertragsteil in Ansatz gebracht. Der Zahnarzt wandte dagegen ein, die Beiträge, die er aus versteuertem Einkommen gezahlt habe, seien höher als der steuerfreie Teil der Rente.
Auch hier sah der BFH jedoch keine Doppelbesteuerung. Er bestätigte die Besteuerung der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente nach den allgemeinen Regeln für reguläre Rentenbezüge und stellte klar, dass die Rürup-Rente in vollem Umfang zu berücksichtigen sei. Der BFH gab dem klagenden Zahnarzt zwar Recht, dass das Finanzamt die Öffnungsklausel nur auf seinen Antrag hin hätte anwenden dürfen. Konkret ergäben sich durch die Anwendung aber keine Nachteile für den Zahnarzt, sodass er auch in diesem Punkt nicht Recht bekam.
Schließlich erläuterte der BFH, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung bereits systematisch keine Doppelbesteuerung geben könne, da "der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert." Die Beitragszahlungen müssten in der Ansparphase nicht steuerfrei gestellt werden.
Bundesfinanzministerium kündigt Anpassung an
Bereits am Montag reagierte das Bundesfinanzministerium auf die Urteile aus München. "Das werden wir uns jetzt genau ansehen und prüfen, welche Auswirkungen das haben wird", sagte Staatssekretär Ralf Bösinger in Bezug auf die Klarstellungen des BFH.
Bösinger kündigte für die kommende Wahlperiode eine Änderung der Besteuerung der Rentenbeiträge zusammen mit der Reform der Einkommensteuer an. Eine mögliche Lösung sei es, die volle Steuerbefreiung der Rentenbeiträge, die aktuell für 2025 vorgesehen ist, bereits früher umzusetzen. Dadurch sollten bestimmte Fälle, in denen es möglicherweise zu einer Doppelbesteuerung kommen könne, abgefedert werden.
Mit Materialien der dpa
BFH spricht Urteile zur Doppelbesteuerung von Renten: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45081 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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