Zu Krisenfirmen ist der Fiskus bislang gnädig - doch der Gnade fehlt die gesetzliche Grundlage, moniert der BFH und zeigt dem Bundesfinanzministerium die gelbe Karte. Für insolvenzbedrohte Firmen wird das Überleben noch schwieriger.
Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat in einer Grundsatzentscheidung den seit 2003 geltenden "Sanierungserlass" des Bundesfinanzministeriums gekippt. Dieser besagt, dass Sanierungsgewinne von der Ertragsteuer befreit werden können. Wenn Gläubiger einer Firma Schulden erlassen, erhöht sich damit automatisch deren Betriebsvermögen - und das sei grundsätzlich besteuerbar, urteilte das oberste deutsche Finanzgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 28.11.2016, Az. GrS 1/15).
Die Insolvenzverwalter warnten vor dramatischen Folgen: "Es ist zu befürchten, dass zukünftig statt der Sanierung des gesamten Unternehmens dessen Zerschlagung gewählt werden muss, um die negativen steuerlichen Folgen zu umgehen", sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbandes der Deutschen Insolvenzverwalter (VDI). Niering forderte eine schnellstmögliche gesetzliche Regelung: "Ansonsten ist zu befürchten, dass gerade die Sanierung größerer Handelsunternehmen wie aktuell Wöhrl oder Butlers in Frage steht."
Erlass auf Basis von Einzelfallprüfung
Dem BFH geht es nicht um den Inhalt der Regelung, wie Präsident Rudolf Mellinghoff klarstellte. Das Finanzministerium habe schlicht seine Befugnisse überschritten. Denn der Erlass war nach Einschätzung des BFH ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Das Bundesfinanzministerium habe eine "strukturelle Gesetzeskorrektur" vorgenommen und damit das Legalitätsprinzip verletzt. Der Hintergrund: 1997 hatte der Bundestag im Zuge der damaligen Unternehmenssteuerreform die bis dahin geltende Steuerbefreiung abgeschafft, 2003 führte das Ministerium diese dann per Erlass wieder ein.
Der BFH hat aber keine prinzipiellen Einwände, dass kriselnden Firmen die Ertragsteuern auf Sanierungsgewinne erlassen werden - nur eben nicht pauschal, sondern auf Basis einer Einzelfallprüfung. "Härten in der Besteuerung, die der Gesetzgeber sehenden Auges im Blick hatte, führen nicht dazu, dass eine Steuer aus Billigkeitsgründen erlassen werden kann", sagte Mellinghoff.
dpa/acr/LTO-Redaktion
BFH sieht Legalitätsprinzip verletzt: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22022 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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