Obwohl seine Amtszeit in gut fünf Wochen endet, weiß der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber immer noch nicht, ob er ab 2024 weitermachen darf. Gegen eine zweite Amtszeit des engagierten Datenschützers gibt es offenbar Vorbehalte.
Wer ab 1. Januar 2024 das wichtige Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) bekleiden wird, ist unklar. Die Amtszeit des aktuellen obersten Datenschützers der Republik, Prof. Dr. Ulrich Kelber, endet zum 31. Dezember 2023. Nach § 11 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz wählt der Deutsche Bundestag ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung den Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Laut Gesetz dürfte Kelber eine weitere Amtszeit dranhängen und wäre dazu auch bereit.
"Ich würde gern weitere fünf Jahre im Amt bleiben. In den vergangenen Jahren hat sich die Behörde stark weiterentwickelt und gut positioniert. Es gibt deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Methoden und Aufgaben. Wir können wirklich etwas bewegen, das würde ich gern weiter verantworten", sagte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und langjährige Staatssekretär im Bundesjustizministerium kürzlich dem Handelsblatt.
Indes: Wenige Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit kursieren Gerüchte, dass es in der Ampel Vorbehalte gegen eine zweite Amtszeit des verdienten Genossen gibt. Datenschutzrechtler spekulieren, Kelber könnte der Ampelkoalition in seiner Amtsperiode viel zu kritisch gewesen sein. In der Tat hat sich Kelber – anders noch als die als "zahnlos" geltende CDU-Vorgängerin Andrea Voßhoff – in den letzten Jahren wenig gescheut, seine Finger immer wieder in datenschutzrechtliche Wunden zu legen. Auch auf das gemeinsame SPD-Parteibuch hat er dabei im Zweifel keine Rücksicht genommen.
Hat es sich Kelber mit Gesundheitspolitikern verscherzt?
Es heißt, dass er es sich mit vielen Entscheidungsträgern der Ampel verscherzt habe – vor allem mit deren Gesundheitspolitikern. So hatte Kelber z.B. immer wieder offen Karl Lauterbachs Pläne für eine elektronische Patientenakte massiv kritisiert – etwa Ende August in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel warf er darüber hinaus dem Bundesgesundheitsministerium im Zusammenhang mit dem elektronischen Rezept "Scheuklappenmentalität" vor und kritisierte, dass das Haus erst spät auf die Datenschützer zugegangen sei. Vor wenigen Tagen wies Kelber auch auf datenschutzrechtliche Mängel der Geheimdienstreform der Ampel hin, für die SPD-Innenministerin Nancy Faeser die Federführung hat.
Regelrecht eskaliert ist das Verhältnis von Deutschlands oberstem Datenschützer aber seinerzeit mit dem Bundespresseamt, nachdem Kelber dieses im Februar anwies, den Betrieb der Facebook-Fanpage der Bundesregierung einzustellen. Vor dem Verwaltungsgericht Köln klagt das Amt inzwischen gegen Kelbers Bescheid. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung steht dem Vernehmen nach noch aus.
Lob von Datenschutzrechtlern
Während die Bundesregierung über Kelbers beherztes Auftreten jedenfalls not amused ist, loben ihn Datenschutzrechtler – wie z.B. der ehemalige baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Stefan Brink. Dass die Wiederwahl von Kelber noch nicht feststehe, gebe Anlass zu Sorge, meint Brink.
"Denn Ulrich Kelber hat in seiner bisherigen Amtszeit mit hoher fachlicher Kompetenz und großem Engagement gerade auch bei der öffentlichen Positionierung zugunsten der Grundrechte auf Datenschutz und Informationsfreiheit sehr positiv gewirkt. Dass er dabei klare Aussagen getroffen und eindeutige Schritte – auch gegenüber der Bundesregierung – unternommen hat, gehört zum 'Berufsbild' eines aktiven Datenschützers und zeichnet Ulrich Kelber in besonderer Weise aus", so Brink. "Dies darf jedenfalls niemals Anlass für ein Zögern der Bundesregierung oder der Fraktionen des Bundestages sein, einen aufgabengerecht agierenden Bundesbeauftragten in seinem Amt zu bestätigen."
Der Jurist ist weiter der Meinung, dass die jetzt aufkommende Unsicherheit, ob Kelber seinen Job weiter machen darf oder nicht, der Unabhängigkeit des Amtes nicht guttue. "Denn ein Datenschützer muss kompetent, kritisch und gesprächsbereit sein – alles das ist Ulrich Kelber."
Auch der Berliner Datenschutzanwalt Prof. Niko Härting stärkt dem aktuellen BfDI den Rücken: "In der Datenschutz-Community hat Ulrich Kelber einen hervorragenden Ruf. Denn er hat Konflikte mit Sicherheitsbehörden, Ministerien und der Bundesregierung nicht gescheut. Eine weitere Amtszeit sollte selbstverständlich sein."
Ampel verweist auf interne Beratungen
"Selbstverständlich" ist eine weitere Amtszeit Kelbers allerdings mitnichten. Obwohl die Zeit drängt, steht noch nicht fest, wann der Bundestag überhaupt über einen Vorschlag der Bundesregierung abstimmen wird. Geschweige denn, wer es wird.
Anfragen von LTO beantworten sowohl die Ampelfraktionen als auch das federführende Bundesinnenministerium einsilbig: "Die Abtimmungen hierzu laufen. Ich bitte daher um Verständnis, dass wir uns zu weiteren Einzelheiten nicht äußern", sagt ein Sprecher des BMI.
Ungewohnt zurückhaltend reagieren sogar FDP und Grüne, ansonsten gerne Fürsprecher eines starken Datenschutzes. "Die Fragen zur anstehenden Wahl zum Bundesdatenschutzbeauftragten sind Gegenstand aktueller Beratungen innerhalb der Koalition", erklärt Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Ähnlich nüchtern und ohne jegliches Wort der Anerkennung für Kelber äußert sich auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic. Auch sie bricht gegenüber LTO keine Lanze für Kelber. "Zu all den von Ihnen aufgeworfenen Fragen werden sich die Fraktionen zeitnah austauschen."
Koalitionsintern obliegt das Vorschlagsrecht für die Stelle aber ohnehin bei der SPD. Doch selbst die leistet ihrem Bonner Genossen keinerlei Schützenhilfe. Obwohl die DSGVO ein transparentes Verfahren für die Auswahl der Datenschutzbeauftragten vorschreibt, setzt man in der SPD-Fraktion auf Geheimhaltung: "Wir bitten um Verständnis, dass wir Personalfragen nicht öffentlich kommentieren", so ein Sprecher.
Im LTO-Interview zu Beginn seiner Amtszeit hatte Kelber bereits angekündigt, dass er da, "wo es notwendig ist", sich "deutlich" zu Wort melden werde. Gut möglich, dass ihm SPD, Grüne und FDP diese Deutlichkeit jetzt nicht mehr verzeihen.
Zweite Amtszeit des BfDI unklar: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53230 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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