Eine Sozialpädagogin trat aus der Kirche aus, ihr katholischer Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin. Ob das mit Europarecht vereinbar ist, wird der EuGH nun klären müssen, denn das BAG hat ihm diese Grundsatzfrage vorgelegt.
Darf die Caritas einer Mitarbeiterin in der Schwangerschaftsberatung kündigen, nur weil diese aus der katholischen Kirche ausgetreten ist? Mit dieser Grundsatzfrage wird sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigen müssen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am Donnerstag ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an das Gericht in Luxemburg formuliert (Vorlage v. 01.02.2024, Az. 2 AZR 196/22).
Die in dem Fall klagende Frau hatte einige Jahre bei der Caritas gearbeitet, ging dann in Elternzeit und trat währenddessen aus der Kirche aus. Grund dafür war das in ihrer Diözese erhobene, besondere Kirchgeld. Es betrifft Personen, die mit einem gut verdienenden konfessionslosen oder einer anderen Religion angehörenden Ehepartner verheiratet sind. Die christlichen Werte lebt die Frau nach eigenen Angaben aber weiter. Die Kündigung hält sie auch deshalb für unwirksam, weil in der Schwangerschaftsberatung bei der Caritas auch evangelische Mitarbeiterinnen beschäftigt seien. Warum sollte es dann auf ihren Verbleib in der katholischen Kirche ankommen?
Wie "öffentlich" ist ein Kirchenaustritt?
In der Verhandlung am Donnerstag ergänzte die Anwältin der klagenden Frau, Kati Windisch von tw Rechtsanwälte aus Frankfurt, dass ein Kirchenaustritt außerdem etwas Stilles sei. Es sei nur ein Akt gegenüber der deutschen Verwaltung, von dem zwangsläufig nur das Finanzamt und die Kirchengemeinde Kenntnis erlangten. Die Sozialpädagogin habe sich aber nicht öffentlich gegen die Kirche gestellt – und u. a. darauf komme es juristisch an.
Die Frage nämlich, wie öffentlich ein Kirchenaustritt ist, hatte der EuGH bereits bei der mündlichen Verhandlung im bundesweit bekannt gewordenen Fall einer Hebamme gestellt. Auch der Hebamme war von ihrem katholischen Träger gekündigt worden, nachdem diesem ihr Kirchenaustritt bekannt geworden war.
Für die Caritas, vertreten von slp Rechtsanwälte aus Limburg und zudem beraten von dem Bonner Professor für Arbeitsrecht Gregor Thüsing, macht das keinen Unterschied. Sie sagen, es gehe beim Kirchenaustritt um eine bewusste Abwendung von der Kirche. Ob diese mit einer öffentlichen Abkehr erfolge oder im Stillen, ändere nichts an dem bewussten Akt an sich. Ihrer Ansicht nach darf sich ein Arbeitgeber schon fragen, warum er jemanden (weiter) beschäftigen sollte, der sich so bewusst von ihm distanziert.
Entscheidend ist ein Halbsatz
Zweieinhalb Stunden hatten die Parteien in Erfurt "intensiv diskutiert", sagen Verfahrensbeobachter. Im Anschluss formulierte der 2. Senat des BAG unter Vorsitz von Richter Ulrich Koch zwei Fragen an den EuGH, bei denen auch die Öffentlichkeit des Kirchenaustritts eine Rolle spielt.
Der Senat möchte vom EuGH zum einen wissen, ob es mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar sein kann, wenn die Kirche verlangt, dass ihre Beschäftigten nicht austreten bzw. bei Austritt wieder eintreten. Dabei kommt es auf den Halbsatz an, der sich der Frage anschließt: "[...] wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Kirche anzugehören und die für sie arbeitende Person sich nicht öffentlich wahrnehmbar kirchenfeindlich betätigt?".
Sollte der EuGH finden, dass die Kirche im Fall der klagenden Frau den Wiedereintritt verlangen kann, möchte er zum anderen wissen, wie eine solche Ungleichbehandlung wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.
Realistischerweise ist nicht damit zu rechnen, dass der EuGH eine solche Ungleichbehandlung zulässt. Thüsing fasst gegenüber LTO aber schön zusammen: "Das BAG hat präzise Fragen gestellt, deren Beantwortung Rechtsicherheit geben kann".
BAG legt Grundsatzfrage dem EuGH vor: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53775 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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