Italiens Plan, Flüchtlinge in Albanien in einem Lager warten zu lassen, liegt wegen eines Urteils auf Eis. Ministerpräsidentin Meloni gibt aber nicht auf. Die Lösung: Über sichere Herkunftsländer will sie künftig selbst entscheiden.
Giorgia Meloni kam mit dem Versprechen ins Amt, die hohe Zahl von Menschen, die jedes Jahr übers Mittelmeer nach Italien fliehen, deutlich zu senken. Dafür sollen Migranten und Migrantinnen zunächst in Lagern in Albanien aufgenommen werden, bevor über ihre Weiterreise nach Italien entschieden wird.
In den albanischen Lagern sollen Anträge von italienischen Beamten im Schnellverfahren geprüft werden: Wer Anspruch auf Asyl hat, darf weiter nach Italien. Alle anderen müssen zurück.
Doch schon als die erste Gruppe von Migranten in einem albanischen Lager aufgenommen werden sollte, entschied ein Gericht in Rom: Die zwölf Männer aus Ägypten und Bangladesch müssen doch nach Italien gebracht werden. Denn beide Länder seien keine sicheren Herkunftsstaaten. Damit floppte die groß inszenierte Überbringung der Migranten nach Albanien für Meloni und die neuen Lager stehen nach nur zwei Tagen wieder leer.
Regierung soll über Aufnahmevoraussetzungen entscheiden
Die Entscheidung ist eine herbe Niederlage für Italiens rechte Regierungschefin. Doch so einfach geschlagen geben will diese sich nicht. Kurz nach der Entscheidung stellte Meloni klar, dass die beiden kürzlich eröffneten Lager in Albanien in Betrieb bleiben. Zugleich sprach sie der Justiz das Recht ab, darüber zu entscheiden, aus welchen Ländern Migranten dorthin verfrachtet werden.
Nun soll ein neuer Erlass das Modell zur Unterbringung von Mittelmeer-Flüchtlingen außerhalb der EU retten. Vor einer Sondersitzung des Kabinetts beriet die rechte Dreier-Koalition in Rom darüber, wie die beiden Lager in Albanien trotz der schweren juristischen Niederlage weiterarbeiten können. Nach Informationen der Tageszeitung La Repubblica gehört zu den wesentlichen Neuerungen, dass die Liste sicherer Herkunftsländer künftig im Regierungssitz festgelegt wird – also im Hause Meloni direkt. Bislang ist dafür das Außenministerium zuständig.
Solche Listen werden innerhalb der EU Land für Land festgelegt. Eine gemeinsame europäische Liste gibt es nicht. In Italien umfasst sie 21 Staaten.
Regierung und Justiz im Clinch
Wegen ihrer harten Linie im Umgang mit Flüchtlingen liegt die Regierung mit der Justiz ohnehin über Kreuz. Das wird nun noch heftiger. Justizminister Carlo Nordio sprach von einem "abnormalen Urteil". Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini drohen sogar bis zu sechs Jahre Haft, weil er in seiner Zeit als Innenminister ein Schiff mit Migranten in Not wochenlang am Einlaufen in einen Hafen hinderte. Das Urteil soll vor Weihnachten verkündet werden.
Mehrfach warfen rechte Minister der Justiz vor, sich von der Linken instrumentalisieren zu lassen. Zum Beschluss des Gerichts in Rom meinte Salvini: "Wer trägt die Folgen, wenn einer der zwölf jemanden vergewaltigt?" Auch bei einer Haftstrafe will der Chef der Rechtspartei Lega im Kabinett bleiben. In der Bevölkerung hat die rechte Regierung Umfragen zufolge für ihre harte Linie Rückhalt.
Gericht verteidigt sein Urteil
Richterin Luciana Sangiovanni verteidigte ihren Beschluss. “Wir konnten gar nicht anders entscheiden”, sagte sie der Tageszeitung La Stampa. Grundlage dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein EU-Mitglied ein Herkunftsland nur dann als sicher einstufen darf, wenn die Bedingungen dafür in dessen gesamtem Hoheitsgebiet erfüllt sind. Legt man diese Definition zugrunde, könnten in den Albanien-Lagern nur noch Migranten aus einigen wenigen Ländern aufgenommen werden.
Die italienische Linke erklärte das Vorhaben bereits für gescheitert. Oppositionsführerin Elly Schlein sprach von einer 800 Millionen Euro teuren "Schande". Auf diese Summe werden von den Sozialdemokraten die Gesamtkosten der Lager veranschlagt.
Aktuell ist offen, wann das Lager wieder genutzt werden kann. Aus Regierungskreisen hieß es, dass unklar ist wann die nächsten Schiffe ankommen und wann die Unterbringungen in den Lagern in Albanien beginnen können.
dpa/ls/lmb/LTO-Redaktion
Um Flüchtlingslager in Albanien beizubehalten: . In: Legal Tribune Online, 21.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55679 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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