Donald Trump muss sich ein weiteres Mal strafrechtlich verantworten. Er soll geheime Dokumente aus seiner Präsidentschaft später in seinem Privatanwesen gelagert haben. Die Anklage eines Ex-Präsidenten auf Bundesebene ist historisch.
Seit Monaten hat Sonderermittler Jack Smith einen der heikelsten Jobs in der Justizgeschichte der Vereinigten Staaten: Der Staatsanwalt führt Ermittlungen gegen den früheren Präsidenten Donald Trump – unter anderem in der Affäre um Geheimdokumente der Regierung. Solche Unterlagen soll Trump nach seiner Zeit im Weißen Haus in seinem Anwesen in Florida aufbewahrt haben. Eine Grand Jury ist nun zu dem Schluss gekommen, dass es ausreichende Hinweise für eine mögliche Straftat gibt.
Die Bundespolizei FBI hatte im August Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida durchsucht und dort zahlreiche Dokumente beschlagnahmt. Laut später vom Justizministerium veröffentlichter Berichte hat es sich um Verschlusssachen gehandelt, davon einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Dass der Republikaner die Unterlagen lange nach seinem Abschied aus dem Präsidentenamt in seinem Privathaus aufbewahrt hatte, könnte strafrechtliche Konsequenzen haben.
Hauptanklagepunkt: Verstöße gegen das Spionagegesetz
Bisher ist die Anklageschrift noch nicht öffentlich. Auch Trump selbst hat sie seinem Anwalt zufolge noch nicht bekommen. Stattdessen habe Trump eine Vorladung erhalten, die Formulierungen enthalte, die auf sieben Anklagepunkte hindeuteten, sagte Trumps Anwalt Jim Trusty. Er gehe davon aus, dass sein Mandant unter anderem wegen des Sammelns, Übermittelns oder Verlierens von Informationen zur Verteidigung der USA angeklagt werden dürfte.
Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Es ist möglich, dass dieser Straftatbestand auf jedes der betreffenden Dokumente einzeln angewendet wird.
Um eine Verurteilung bei diesem Anklagepunkt zu erwirken, müsste die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass die Dokumente der Verteidigung der USA dienen und ihre Veröffentlichung zum Beispiel einem ausländischen Gegner helfen könnte.
Weitere Formulierungen in dem Schreiben an Trump deuten dem Anwalt zufolge auf Anklagepunkte im Zusammenhang mit der Behinderung der Justiz und Falschaussage hin. Bei Ersterem müsste die Staatsanwaltschaft etwa aufzeigen, dass Trump sich vorsätzlich der Aufforderung des Justizministeriums zur Herausgabe der Dokumente widersetzt hat.
Anklage auf Bundesebene ist weiteres Novum
Trump muss nun also ein zweites Mal auf der Anklagebank Platz nehmen. Bereits vor einigen Wochen ist er im US-Bundesstaat New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt worden. Das war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein ehemaliger Präsident sich wegen einer Straftat vor Gericht verantworten muss.
Und doch ist die neuerliche Anklage wegen der Geheimdienstaffäre (wieder) historisch: Nach der ersten Anklage eines Ex-Präsidenten überhaupt folgt nun die erste Anklage eines Ex-Präsidenten auf Bundesebene. Bundesstraftaten werden häufig mit härteren Strafen geahndet, da es hier um nationale Interessen geht.
Präsidentschaftskandidatur trotz drohender Gefängnisstrafe?
Das nun beginnende Strafverfahren könnte sich über Jahre hinziehen. Sollte Trump verurteilt werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
Trotz Anklage kann Trump bei der Präsidentenwahl 2024 für seine Partei kandidieren. Auch eine Verurteilung hat juristisch gesehen nicht zwangsläufig zur Folge, dass Trump das Amt des US-Präsidenten nicht noch einmal ausüben könnte. Einen Präsidenten, der hinter Gittern sitzt, hat es in der US-Geschichte allerdings noch nicht gegeben – das wäre zumindest praktisch schwer umsetzbar.
Es gibt zwar ein Bundesgesetz, das jedem verbietet, der wegen vorsätzlicher Mitnahme von Regierungsunterlagen verurteilt wurde, ein politisches Amt auszuüben. Doch selbst wenn Trump deswegen verurteilt würde, muss das nichts heißen. Denn die US-Verfassung enthält kein solches Ausschlusskriterium für ein politisches Amt. Juristisch fragt sich also, ob das Bundesgesetz die Verfassung hier konkretisiert oder aber zu ihr in Widerspruch steht. Dann würde die Verfassung das einfache Gesetz ausstechen. Auch hier werden am Ende Gerichte das letzte Wort haben.
Noch kein Haftbefehl
Trump ist für Dienstag um 15 Uhr (Ortszeit) zur Anklageverlesung vor dem Bundesgericht in Miami geladen. Dabei wird er formell über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert und hat dann in der Regel die Möglichkeit, zum Beispiel auf "nicht schuldig" oder "schuldig" zu plädieren. Es ist davon auszugehen, dass Trump sich – wie schon in seinem ersten Strafverfahren im April – für "nicht schuldig" aussprechen wird, denn er bestreitet die Vorwürfe.
Ein Haftbefehl liegt gegen Trump nicht vor – bisher: Das Gericht entscheidet am Verlesungstermin auch darüber, ob der Angeklagte bis zum Prozessbeginn festgehalten wird, etwa wenn Fluchtgefahr oder eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Davon ist nach Einschätzungen von Fachleuten in Trumps Fall jedoch nicht auszugehen.
Weitere Ermittlungen gegen Trump
Sonderermittler Smith untersucht auch Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol, hier gibt es bisher keine Anklage. Mit Blick auf die Frage nach dem Ausschluss von politischen Ämtern ist dies aber der spannendere Fall, denn Trump könnte wegen des seltenen Straftatbestands der Aufruhr angeklagt und verurteilt werden. Laut Verfassung sind all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben.
Auch zu Trumps Rolle bei den Bemühungen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen, wird ermittelt. Hier könnte es ebenfalls zu einer Anklage kommen. Im Bundesstaat Georgia untersucht die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Wahlmanipulation.
mk/dpa/LTO-Redaktion
Affäre um geheime Regierungsdokumente: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51965 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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