Ein Rechtsanwalt hat unter der Verwendung einer Generalvollmacht Wohnungen seiner dementen Mandantin an Angehörige deutlich unter Wert verkauft. Dass ihm das nicht bewusst war, konnte das Gericht ihm nicht glauben.
Das Amtsgericht (AG) München hat einen 65-jährigen Rechtsanwalt wegen Untreue zu Lasten einer Mandantin in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (Urt. v. 10.02.2022, Az 836 Ls 231 Js 167395/16).
Der Rechtsanwalt kannte die mittlerweile verstorbene Geschädigte bereits seit den 1980er Jahren. Sie war eine enge Freundin seiner Eltern. Die Frau erteilte ihm eine umfassende notarielle General- und Vorsorgevollmacht. Im selben Jahr errichtete sie ein Testament, in dem sie unter anderem den Angeklagten als Erben einsetzte. In der Folgezeit änderte sie das Testament mehrfach. Welches Testament gültig ist, ist noch nicht geklärt. Seit 2010 ist die Geschädigte aufgrund fortschreitender Demenz in einer Einrichtung untergebracht. Eine der Wohnungen hatte der Anwalt zu einem Kaufpreis von 600.000 Euro an seine Tochter und deren Ehemann verkauft. Eine zweite Wohnung hatte er für 675.000 Euro an seinen Sohn und dessen Ehefrau veräußert. Tatsächlich hatten die Wohnungen beim Verkauf einen Wert von 1.100.000 Euro bzw. 1.130.000 Euro gehabt und damit rund doppelt so viel, wie der tatsächlich Verkaufspreis.
Geschädigte konnte sich nicht wehren
Der Rechtsanwalt räumte den Verkauf der beiden Wohnungen ein. Er gab an, es sei ihm aber nicht darum gegangen "seinen Kindern etwas zuzuschustern". Er habe über Jahre ein enges und freundschaftliches Verhältnis zu der Geschädigten entwickelt. Er sei daher davon ausgegangen, dass die Übertragung der Wohnungen an seine Kinder dem Willen der Geschädigten entspreche. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass er durch den Verkauf der Wohnungen auf dem freien Markt erheblich höhere Preise hätte erzielen können.
Das AG hat dem Rechtsanwalt aber nur teilweise Glauben geschenkt: Die Behauptung, der objektive Marktwert der verkauften Wohnungen habe ihn im Nachgang überrascht, hat das Gericht als bloße Schutzbehauptung gewertet. Der Mann hatte schon zuvor mehrere Immobilien verkauft und kenne sich auf dem Markt aus. Jedenfalls hätte er die Pflicht gehabt, als Bevollmächtigter Auskunft über die realen Marktwerte einzuholen, so das Gericht.
Zwar sei, neben einigen anderen Punkten, auch strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt durch die Folgen der Tat bereits erheblich belastet ist. So muss er sich auch berufsrechtlich verantworten. Allerdings sei ein erheblicher Schaden entstanden. Außerdem sei zu seinen Lasten zu würdigen, dass die Geschädigte zum Tatzeitpunkt bereits vollständig dement gewesen war. Somit habe er eine Tat gegen eine Person berübt, die nicht dazu in der Lage war sich zu wehren.
cp/LTO-Redaktion
AG München verurteilt Rechtsanwalt: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48012 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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