Betagte Vermieter dürfen eine Mieterin im Treppenhausputzplan als "Fräulein" bezeichnen, so das AG Frankfurt. Und stellt ab auf ein "entspannteres Selbstverständnis von Frauen samt einer gehörigen Portion Selbstironie".
Das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) hat entschieden, dass eine Wohnungsmieterin keinen Anspruch darauf hat, von ihren hochbetagten Vermietern in Aushängen im Hausflur nicht mit der Anrede "Frl./Fräulein" bezeichnet zu werden (Urt. v. 27.06.2019, Az. 29 C 1220/19 (46)).
Geklagt hatte eine Frau, die im Treppenhausreinigungsplan als "Fr./Fräulein" bezeichnet wurde. Auch den Namen der Mieterin samt Wohnetage schrieben die 89-jährige Vermieterin und ihr 92-jähriger Mann in den Aushang. An der Wohnungstür der Mieterin fand sich ein weiterer, sorgfältig in Handschrift gefertigter Zettel mit dieser Bezeichnung. Den mehrfachen Bitten der Frau, diese öffentliche Benennung ihrer Person sowie Zusätze der Etage und des (veralteten) Familienstandes zu unterlassen, kamen die Vermieter jedoch nicht nach.
Die Frau reichte daraufhin Klage beim AG ein. Sie rügte eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sah in dem Verhalten des Vermieterehepaars eine öffentliche Diffamierung ihrer Person und den Versuch, sie in Misskredit zu bringen. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht seien die Aushänge nicht in Ordnung.
AG: Unfreundlich ja, ehrverletzend nein
Vor Gericht kam sie damit aber nicht durch. Weil es um eine Ehrverletzung gehe, sei die Klage schon unzulässig, so das AG, weil sie zunächst hätte versuchen müssen, sich mit den Vermietern vor einer Gütestelle zu einigen. Das AG lässt es sich aber nicht nehmen, trotzdem in der Sache zu entscheiden. Und meint, die Klage wäre auch bei anderer Bewertung unbegründet.
Die Richterin stellt zwar fest, dass der Begriff Fräulein "in Ermangelung eines äquivalenten, latent verniedlichenden Begriffs für unverheiratete Männer" bereits im Jahr 1972 aus öffentlichen Registern etc. abgeschafft wurde. Angesichts eines neuen feministischen Selbstbewusstseins seien aktuelle Strömungen zu unterscheiden, heißt es in der Entscheidung. So gebe es in Frankreich weiterhin Protest, um "Mademoiselle" aus dem Alltag zu verbannen, während man Großbritannien mit dem Wort "Miss" keine Probleme habe. In Deutschland sei sogar nach 2000 eine moderne Frauenzeitschrift mit dem Titel "Fräulein" erschienen.
Die betagten Vermieter wiederum seien im Jahr 1972 bereits im mittleren Alter gewesen und hätten den Begriff als regulären, nicht despektierlichen Namenszusatz erlernt. Die Mieterin habe diesen im Jahr 1984, als der Mietvertrag abgeschlossen wurde, auch nicht moniert. Die Richterin zeigte sich überzeugt, dass der Begriff nicht despektierlich gemeint sei, sondern lediglich einen korrekten Namenszusatz darstellen solle.
Zwar könne man den Vermietern "ein gewisses Maß an Unfreundlichkeit, mangelnder Kompromissbereitschaft oder ein unhöfliches Beharren" zuschreiben, weil sie ihre Mieterin weiterhin so bezeichnen, obwohl sie wissen, dass es sie stört. Aber aus der Sicht eines verständigen Dritten sie das "in Deutschland in den letzten Jahren entspanntere Selbstverständnis von Frauen samt einer gehörigen Portion Selbstironie relevant", das das Gericht auch in dem Titel der Frauenzeitschrift "Fräulein" erkennt. In Kombination mit dem gemeinsamen Wohnen im selben Haus und dem hohen Alter des Vermieterpaars leitet die Richterin daraus ab, dass im "konkreten Gesamtgefüge" die Bezeichnung insgesamt nur ein "subjektives Ärgernis" darstelle und die Schwelle zur Persönlichkeitsverletzung nicht erreiche.
Auch von den datenschutzrechtlichen Einwänden der Frau hält das AG nicht allzu viel. Und bezweifelt schon, dass ein handschriftlich erstellter und wöchentlich wechselnder Treppenhausputzplan ein strukturiertes Dateisystem im datenschutzrechtlichen Sinne sei.
pl/tik/LTO-Redaktion
Bezeichnung im Treppenhausputzplan: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37341 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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