Will das Mitglied einer Eigentümergemeinschaft Gemeinschaftsflächen umbauen, kommt es oft zum Streit. Zwei Fälle gingen zum BGH. Dieser betonte nun in Bezug auf einen Fahrstuhl und eine Terrasse, wie wichtig ein barrierefreier Umbau ist.
Führen Wohnungseigentümer Umbauarbeiten durch, die der Barrierefreiheit dienen, sind diese in der Regel angemessen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag in zwei Fällen entschieden (Urt. v. 09.02.2024, Az. V ZR 244/22; V ZR 33/32).
Im ersten Fall ging es um die Errichtung eines Außenaufzugs in einem im Jugendstil erbauten Wohnhaus in München. Während das Vorderhaus schon über einen Fahrstuhl verfügt, muss man im Hinterhaus noch Treppen steigen. Zwei Wohnungseigentümer im Hinterhaus wollten das ändern und einen Fahrstuhl anbringen lassen. Sie waren sogar bereit, selbst für die Kosten aufzukommen. Das lehnte die Eigentümerversammlung jedoch ab.
Im zweiten Fall wollte der Eigentümer einer Erdgeschosswohnung in einer Bonner Mehrparteien-Wohnanlage eine Terrasse anlegen. Er beabsichtigte, in der Parzelle des Gartens, der seiner Wohnung zugewiesen ist, mehrere bauliche Maßnahmen durchzuführen: das Aufschütten eines etwa 65 Zentimeter dicken Terrassenbodens, den Austausch der Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür und den Bau einer Rampe als barrierefreien Zugang.
Streit in der Eigentümergemeinschaft
Materiell ging es in beiden Fällen also um die Angemessenheit von Maßnahmen zur Barrierefreiheit.
Die prozessualen Ausgangssituationen waren hingegen genau umgekehrt: Im ersten Fall klagten die Eigentümer gegen den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft im Wege einer Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG. Damit will der Kläger erreichen, dass das Gericht den ablehnenden Beschluss durch den gewünschten ersetzt. Im zweiten Fall hatte die Mehrheit der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft dem Antrag zugestimmt, weshalb der gewünschte Beschluss erlassen wurde. Einer Minderheit in der Eigentümergemeinschaft passte das jedoch nicht, sie ging gegen den Beschluss im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WEG vor.
Auf unterschiedlichen Wegen landeten nun beide Fälle in Karlsruhe – und in beiden Fällen entschied der BGH zugunsten der Antragsteller und damit für die Barrierefreiheit.
Nur in atypischen Fällen darf ein Umbau abgelehnt werden
Dabei ging es zentral um § 20 WEG, der "bauliche Veränderungen" regelt. Nach Abs. 2 S. 1 Nr. 1 sollen Maßnahmen zugunsten von älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen erleichtert werden. Die Grenze ist gemäß Abs. 4 jedoch dann überschritten, wenn die Wohnanlage dabei "grundlegend umgestaltet" wird oder die anderen Eigentümer dadurch "unbillig benachteiligt" werden.
Der BGH stellte nun klar, dass in der Regel keine "grundlegende Umgestaltung" gegeben ist, wenn eine Wohnung zur Förderung der Barrierefreiheit umgebaut wird. Dies gelte auch für die Errichtung eines Aufzugs oder die Aufschüttung einer Terrasse. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage sei nur anzunehmen, wenn besondere, also atypische Umstände vorlägen. Dies begründeten die Karlsruher Richter mit dem Ausnahmecharakter des § 20 Abs. 4 WEG. Auch stellte der BGH fest, dass in beiden Fällen kein anderer Wohnungseigentümer gegenüber anderen "unbillig benachteiligt" worden sei.
Dabei argumentierte der BGH auch mit Sinn und Zweck einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020: Damals wurden die Vorschriften für bauliche Veränderungen in Wohnungseigentumsanlagen in §§ 20 und 21 des WEG grundlegend überarbeitet. Die Reform ermöglicht es nunmehr, dass jeder Eigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen kann, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen. Ziel dieses "Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes" war es unter anderem, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen den Zugang zu barrierefreien baulichen Maßnahmen zu erleichtern. Das hat der BGH ernstgenommen.
xp/LTO-Redaktion
BGH zum Wohnungseigentumsrecht: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53846 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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