Brüssel und Berlin haben sich im Streit um die Pkw-Maut auf deutschen Straßen angenähert. Die Entlastung für deutsche Fahrer soll nun an umweltfreundliche Kfz gekoppelt werden und es soll günstigere Kurzzeit-Tarife für Pendler und Touristen geben.
In der Diskussion um eine Einführung der Pkw-Maut zwischen der EU und der Bundesregierung rechnet Verkehrsminister Alexander Dobrindt mit einer Lösung noch in diesem Monat. "Wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht", zitierte das Ministerium Dobrindt am Freitag auf Twitter.
In dem Tweet berichtet der Verkehrsminister von "engen und vertrauensvollen Gesprächen" mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser habe sich "persönlich stark engagiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden", wie Dobrindt hervorhob.
Seit Juni letzten Jahres liegt die Pkw-Maut auf Eis. Die EU-Kommission wollte wegen europarechtlicher Bedenken gegen die Maut vorgehen. Es bestünden bereits "erhebliche Zweifel", dass das Gesetz das Prinzip der Nicht-Diskrminierung von Ausländern erfülle, sagt Kommissionspräsident Juncker damals. Seitdem befinden sich die beiden Seiten in Gesprächen.
Nach monatelangem Streit war dann am Donnerstagabend überraschend ein wahrscheinlicher Durchbruch zwischen der EU-Kommission und Deutschland bei der Pkw-Maut an die Öffentlichkeit gelangt. Die Kommission hatte zuvor mitgeteilt, dass es bei Gesprächen "sehr weitreichende Fortschritte" gegeben habe. Die Brüsseler Behörde sei "sehr zuversichtlich", dass letzte offene Fragen im Laufe dieses Monats "zur Zufriedenheit der Kommission und der Bundesregierung geklärt werden können", sagte ein Sprecher dem "Tagesspiegel".
Doch eine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer?
Nach Angaben aus EU-Kreisen sehen die bislang getroffenen Absprachen vor, dass das deutsche Mautgesetz in einigen Punkten geändert wird. Dabei gehe es unter anderem darum, günstigere Kurzzeit-Tarife für Pendler und Touristen aus dem EU-Ausland einzuführen. Zudem solle der 1:1-Ausgleich für deutsche Autofahrer bei der Kfz-Steuer angepasst werden.
Besitzer besonders umweltfreundlicher Autos sollen sogar etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen könnten, als sie Maut zahlen. Das könnte als Umweltförderung deklariert werden und damit ein Stück weiter von einer direkten Maut-Kompensation wegrücken.
Bei der Vorstellung der sog. Infrastrukturabgabe wollte Verkehrsminister Dobrindt (CSU) nämlich zwar sowohl In- als auch Ausländer mit der Mautpflicht belegen, nur Inländer aber im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlasten - und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Die Kritik, nicht nur aus Brüssel: Dieses Modell benachteilige EU-Ausländer. Trotz offener Zweifel wurde die Pkw-Maut im März 2015 im Bundestag beschlossen, noch im September dieses Jahres hatte die EU-Kommission nach vergeblichen Gesprächen Klage gegen Deutschland vor dem EuGH erhoben.
Hofreiter: "Scheitert vor dem EuGH oder Deutsche zahlen drauf"
Sollte eine Entlastung bei der Kfz-Steuer an die Umweltfreundlichkeit der Autos gekoppelt werden, werden zumindest die Grünen nicht gegen die Pkw-Maut vor Gericht ziehen. "Es gibt eine Maut für alle mit einer ökologischen Komponente. Das heißt, dann werden wir nicht klagen", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Freitag im ARD-"Morgenmagazin".
Er rechnet allerdings nicht damit, dass das strittige Gesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt. Wegen des Widerstands Österreichs und der Niederlande sei es eher wahrscheinlich, dass die Pkw-Maut durch mögliche Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhindert werde.Entweder werde das Modell vor dem EuGH scheitern oder deutsche Autofahrer würden draufzahlen, weil es keine 1:1-Kompensation für sie geben werde, sagte der Grünen-Fraktionschef der "Berliner Zeitung" am Freitag.
Die Östereichische Regierung hatte bereits in den vergangenen Jahren angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, sollte es zu der Maut kommen. Sie sieht die Annäherung zwischen Brüssel und Berlin kritisch. "Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen", sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried am Freitag. Die Regierung in Wien werde das deutsche Modell genau prüfen, um zu sehen, ob diskriminierende oder europarechtswidrige Punkte vorliegen.
Dem Städte- und Gemeindebund gehen die Pläne zur Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen noch nicht weit genug. "Der durch die EU jetzt freigemachte Weg, in Deutschland eine Pkw-Maut einzuführen, muss konsequent genutzt werden, um eine flächendeckende Maut auf allen Straßen in Deutschland umzusetzen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Der ADAC pocht hingegen auf Einhaltung der Zusagen für deutsche Autofahrer. Sollte eine Maut tatsächlich Realität werden, müsse es verbindliche Garantien geben, forderte ein Sprecher am
Donnerstagabend: "Keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, keine Ungerechtigkeiten zwischen den europäischen Autofahrern, und jede Mehreinnahme muss zweckgebunden in die Zukunft der Mobilität investiert werden." Nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags von Union und SPD sollen deutsche Autofahrer nicht draufzahlen müssen.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Plötzliche Einigung zwischen EU-Kommission und Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21060 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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