"Bundesgesundheitsminister, der hier selbst und privat tweetet". Behörden dürfen auf Social Media nicht beliebig Nutzer blockieren – was gilt aber für die Amtsträger selbst? Das Amtsgericht Berlin-Mitte prüft Selfies, Posts und Account umfassend.
Ein Selfie des Ministers vor dem Start der Regierungsmaschine nach Indien, das stolze Foto eines geschenkten Jutebeuteln nebst Trophäe für den "Goldenen Blogger 2022": Was man auf dem X-Account (ehemals Twitter) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entdecken kann, ist bunt. Und so rege wie der Minister selbst "twittert", kommentieren andere Nutzer:innen dessen Beiträge. Nicht immer sachlich und höflich. Dass Accounts andere Nutzer:innen für unangemessene Äußerungen blockieren, gehört auf der Plattform dazu. Und es ist nach den Nutzungsbedingungen der Plattform auch zulässig – eigentlich. Denn die Regeln ändern sich, wenn es sich nicht mehr um einen "privat", sondern um einen "hoheitlich" betriebenen Social-Media-Account handelt. Wenn der Staat und seine Funktionsträger auf Social Media auftauchen, dürfen sie die Öffentlichkeit nicht ohne weiteres ausschließen.
Aber was gilt, wenn sich scheinbar private und hoheitliche Beiträge mischen, oder sogar in einzelnen Beiträgen zusammenfallen? Damit hat sich nun – soweit ersichtlich – zum ersten mal ein Gericht beschäftigt. Das Amtsgericht Berlin-Mitte entschied, dass der Gesundheitsminister einem anderen Nutzer den Zugang zu seinem X-Account blockieren darf (Beschl. v. 19.10.2023, Az. 151 C 167/23 eV). Ein genereller Zugangsanspruch zu dem X-Account des Ministers bestehe nicht, da dieser "privat" betrieben werde und keine "virtuelle öffentliche Einrichtung" sei, heißt es in dem Beschluss, der LTO vorliegt.
"Du bist blockiert"
Geklagt hatte ein Journalist aus der Schweiz, dem auf X 24.000 Nutzer:innen folgten. Er hatte im Februar 2022 auf Lauterbachs X-Seite Beiträge im Zusammenhang mit staatlichen Corona-Maßnahmen kommentiert. Ein Jahr später bekam der Journalist beim Versuch, das Profil aufzurufen, den Hinweis: "Du bist blockiert". Ein Aufrufen der Seite, geschweige denn das Kommentieren von Beiträgen war von dem Zeitpunkt an unmöglich. Die Abmahnung des Journalisten wies das Bundesministerium für Gesundheit zurück: Der Account sei privater Natur.
In der Selbstbeschreibung von Lauterbachs X-Account heißt es: "SPD Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister, der hier selbst und privat tweetet." Sein Account verfügt außerdem über einen "blauen Haken", er ist versehen mit dem Hinweis "Dieser Account ist verifiziert, weil es sich um einen staatlichen Account oder den einer multilateralen Organisation handelt".
Der Journalist entschied sich für den Weg zu Gericht. Die Blockade stelle eine Verletzung seiner Grundrechte dar, insbesondere handele es sich um einen Eingriff in seine Meinungs- und Pressefreiheit sowie in sein Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen, so seine Argumentation.
Sein Antrag zielte mitten hinein in einen rechtlichen Graubereich. Zwar gilt durch Gerichte von Hamburg bis München als geklärt, dass Behörden, die Social-Media-Accounts betreiben, einen diskriminierungsfreien, offenen Zugang dazu gewähren müssen. Für die Accounts der Amtsträger selbst ist die Frage aber unklar. Der Account des Bundesgesundheitsministeriums gilt als "virtuelle rechtliche Einrichtung", was gilt aber für Karl Lauterbachs Account mit den Flugzeug- und Jutebeutel-Selfies?
Das Amtsgericht Berlin-Mitte entschied, dass der Social-Media-Account von Karl Lauterbach privater Natur ist.Die Abgrenzung zwischen privatem und hoheitlichem Social-Media-Account erfordere eine umfassende Würdigung des konkreten Accounts. "Ausschlaggebend sind dessen Inhalt, Form und der äußere Zusammenhang der auf ihm getätigten Äußerung", entschied das Amtsgericht. Entscheidend sei das Gesamtgepräge des Accounts.
Selfies vor der Dienstreise – aber kein Auftreten in amtlicher Funktion
Allein die Verwendung der Amtsbezeichnung des Bundesgesundheitsministers in der Selbstbeschreibung des X-Profils mache den Account noch nicht zu einem hoheitlichen. Vielmehr dürfe Lauterbach seine Amtsbezeichnung auch außerhalb des Dienstes, mithin auch in den sozialen Medien, führen, heißt es in dem Beschluss.
Lauterbach habe seine Stellung auf dem Profil nicht derart in den Vordergrund gerückt, dass Nutzer:innen davon ausgehen mussten, es komme ihm gerade darauf an, auf X in amtlicher Funktion aufzutreten, führt das AG weiter aus. Weder ein Hinweis auf eine Dienstreise nach Indien unter Verwendung eines Selfies ("Die Regierungsmaschine steht bereit, ich habe volles Zutrauen zur technischen Funktionsfähigkeit"), noch das Teilen eines geschenkten Jutebeutels mit Kommentar "So spannend können Meldungen eines Ministers sein ;)" reichten hierfür nach Ansicht des AG aus.
Auf den blauen Haken kommt es nicht an
Auch die Verifizierung des Accounts Lauterbachs ist nach Ansicht des AG kein Argument für den Hoheitscharakterseines Accounts. Denn den blauen Haken habe Lauterbach "ganz ohne sein Zutun" erhalten. Zudem stehe diese Möglichkeit auch anderen Trägern öffentlicher Gewalt zu.
Letztlich lehnte das Gericht einen generellen Anspruch auf Zugang einem privat betriebenen Account ab. "Ein solcher kann nicht aus einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte abgeleitet werden; vielmehr genießt das Entfernen unliebsamer Kommentare Dritter sowie das Blockieren anderer Nutzer in diesem Falle seinerseits grundrechtlichen Schutz", entschied das Amtsgericht. Gegen die Entscheidung kann noch Beschwerde eingelegt werden. Über die müsste dann das Landgericht entscheiden.
Beitrag in der Version vom 26.10.2023, 09:53 Uhr, korrigiert wurde ein Dreher bei privat - hoheitlich.
Gericht zu Minister-Block auf Social Media: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52994 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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