Die Verwendung einer möglicherweise unvollständigen Steuersoftware ist mit dem Verschulden eines steuerlichen Beraters vergleichbar. Dies entschied das Gericht in Neustadt an der Weinstraße in einem am Dienstag bekannt gewordenen Urteil.
Das Finanzgericht (FG) führte unter anderem aus, grob fahrlässiges Handeln liege insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt. Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden Rechtsirrtum könne sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (Urt. v. 30.08.2011, Az. 3 K 2674/10).
Im Streitfall hatte der Kläger im Jahr 2010 beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2008 zu seinen Gunsten zu ändern. In der Einkommensteuererklärung 2008 seien Kinderbetreuungskosten in Höhe von rd. 4.000 Euro bisher nicht angegeben worden. Aufgrund der verwirrenden Steuervorschriften sei ihm bei Erstellung der Steuererklärung 2008 nicht bewusst gewesen, dass diese Kosten hätten geltend gemacht werden können. Er hatte hierzu ein handelsübliches Steuererklärungsprogramm verwendet.
Amtliches Steuererklärungsformular fragt nach Kinderbetreuungskosten
Dieser Änderungsantrag wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden der Kinderbetreuungskosten ein die begehrte Änderung ausschließendes grobes Verschulden treffe.
Mit der gegen die Entscheidung des Amts gerichteten Klage trug der Kläger unter anderem vor, er habe seine Steuererklärung mit einem Steuererklärungsprogramm erstellt, bei dem das Steuerformular selbst nicht mehr automatisch angezeigt wird, sondern das Programm durch ein eigenes Menü führt.
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Im amtlichen Steuererklärungsformular werde ausdrücklich nach Kinderbetreuungskosten gefragt, in der Anleitung zur Steuererklärung würden weitere Einzelheiten erläutert. Bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch und Verständnis stellten Aufwendungen für den Besuch von Kindertagesstätten Kinderbetreuungskosten dar.
Der Steuerpflichtige könne sich auch nicht darauf berufen, die von ihm verwendete Steuersoftware habe wegen einer anderen Menüführung keine Frage nach Kinderbetreuungskosten angezeigt, so das FG. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten.
Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
tko/LTO-Redaktion
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FG Rheinland-Pfalz: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4518 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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