Beim Wolf scheiden sich die Geister: Die einen halten die Jagd auf das Raubtier für nötig, die anderen verweisen auf den sehr hohen Schutz nach der Habitatrichtlinie. Nun hat der EuGH einen Fall aus Österreich entschieden.
Der in Österreich seit rund zwei Jahren praktizierte Abschuss bestimmter Wölfe erfährt heftigen juristischen Gegenwind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte nun das Wolfsjagdverbot auch in Österreich für gültig (Urt. v. 11.07.2024, Az. C-601/22).
"Eine Ausnahme von diesem Verbot zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist", erklärte das Gericht in Luxemburg. Der Wolf sei – unbeschadet von Ausnahmeregelungen in anderen Ländern – durch die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RiLi) streng geschützt.
Das Gericht urteilte im Fall eines sogenannten Schadwolfs, der im Bundesland Tirol rund 20 Schafe gerissen haben soll und zum Abschuss freigegeben worden war. Vor einem Abschuss seien andere Maßnahmen wie etwa der Schutz von Nutztieren durch Zäune oder Wachhunde zu eruieren.
In einer ersten Reaktion erklärte der Tiroler Landesagrarminister Josef Geisler (ÖVP), in dessen Bereich der Wolf aus diesem Fall zum Abschuss freigegeben worden war, dass der Richterspruch keine unmittelbaren Auswirkungen habe. Das Urteil bringe "aber leider auch keine Erleichterungen". Die Abschussverordnungen Tirols hätten sich bewährt. "Unter Anlegung eines strengen Prüfmaßstabes können wir weiterhin Schad- und Risikowölfe entnehmen." Die Verordnungen seien Einzelfallentscheidungen, die auch die Besonderheiten der Almwirtschaft berücksichtigten.
Bisher 20 Abschüsse in Österreich
Nach einer Übersicht des "Österreichzentrums Bär Wolf Luchs" sind seit dem vergangenen Jahr in der Alpenrepublik insgesamt 20 Schad- und Risikowölfe geschossen worden. Bei den Schadwölfen handelt es sich um Tiere, die zuvor meist Schafe gerissen hatten. Ein Risikowolf ist ein Tier, das sich menschlichen Siedlungen nähert und sich nicht vergrämen lässt.
Im vergangenen Jahr sind dem Zentrum zufolge 104 Wölfe in Österreich nachgewiesen worden. Die meisten davon waren Wanderwölfe, die nicht dauerhaft in Österreich jagen.
Die Entscheidung verdeutlicht aus Sicht des Bundeslandes Tirol, dass es bei der FFH-RiLi großen Änderungsbedarf gibt. "Wir fordern die EU-Kommission und das Europäische Parlament auf, den Schutzstatus zu senken und erwarten uns hier mehr Tempo. Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht und gehört reguliert wie jedes andere Wildtier auch", sagte Geisler.
Naturschutzrechtler: Folgen über Österreich hinaus
Das Urteil hat nach Auffassung des Naturschutzrechtlers Jochen Schumacher vom Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen über Österreich hinausgehende Folgen. Es habe Auswirkungen auf alle EU-Mitgliedstaaten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Die Hürden für einen Abschuss seien noch einmal präzisiert worden. In Österreich müsse nun für jede einzelne Alm vor Ort geprüft werden, ob ein Schutz zum Beispiel durch Hirten oder Zäune möglich sei, bevor Wölfe zum Abschuss freigegeben würden. "Die derzeitige Praxis, anhand von Kriterien pauschal die Almen als nicht schützbar einzustufen, ist mit der FFH-Richtlinie jedenfalls nicht vereinbar", kommentierte Schumacher das EuGH-Urteil.
dpa/xp/LTO-Redaktion
EuGH zur Habitatrichtlinie: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54983 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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