Schon im Sommer hatten NGOs deutschen Supermärkten Verstöße gegen das Lieferkettengesetz vorgeworfen. Gegen Rewe und Edeka gehen die Organisationen nun mit einer Beschwerde vor.
"Arbeit im giftigen Pestizidnebel, Hungerlöhne, Niederschlagung von Gewerkschaften." Hilfsorganisationen beklagen die Zustände auf Bananenplantagen in Ecuador und Costa Rica, die deutsche Supermarktketten wie Rewe und Edeka beliefern. Betroffene Arbeiter:innen haben daher mit Untersützung der ecuadorianischen Gewerkschaft Astac, der NGO Oxfam, des katholischen Hilfswerks Misereor und des European Center for Constitutional and Human Rights (ECHHR) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Beschwerde nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG), oft als Lieferkettengesetz bezeichnet, eingelegt.
Das LkSG ist seit Anfang 2023 in Kraft. Es verpflichtet deutsche Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten, mit dem Ziel, sie vorzubeugen, zu minimieren, oder zu beenden (§ 3 LkSG). Das Gesetz ermöglicht es dabei, inländischen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen die Rechtsverletzungen in besonderer Prozessstandschaft geltend zu machen (§ 11 LkSG).
Aldi und Lidl verhandlungsbereit, Rewe und Edeka verweisen auf Siegel
Über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen hatten die Nichtregierungsorganisationen die Supermarktketten Aldi, Lidl, Edeka und Rewe im Sommer laut Pressemitteilung des ECHHR informiert. Arbeiter:innen hätten von Hungerlöhnen zum Teil weit unter dem Mindestlohn berichtet. Auch müssten sie auf Plantagen bleiben, während die Pestizidflugzeuge ihr Gift sprühen, oder würden danach viel zu schnell wieder zur Arbeit zurückgeschickt. Auch würden Gewerkschaften systematisch unterdrückt.
Nach Angaben der Hilfsorganisationen hätten sich Aldi und Lidl daraufhin verhandlungsbereit mit den Gewerkschaften gezeigt. Rewe und Edeka dagegen hätten lediglich auf Zertifizierungen und Siegel verwiesen, die die Einhaltung von Arbeitsstandards bescheinigen sollen. Laut den Hilfsorganisationen sind diese Siegel indes leicht zu manipulieren und daher wenig aussagekräftig. Daher hätten die Betroffenen Beschwerde gegen Rewe und Lidl eingelegt. Die Arbeiter:innen wollen laut ECHHR aus Angst vor Repressalien anonym bleiben.
Praxistest: "Was taugt das LkSG?"
Franziska Humbert, Rechtsanwältin und Leiterin des Bereichs "Gerechtes Wirtschaften" bei Oxfam, erhofft sich konkrete Maßnahmen vom Bundesamt: "Das BAFA muss unseren Hinweisen nun nachgehen und den Supermärkten konkrete Anweisungen geben, was sie dagegen unternehmen sollen. Wenn sie diese nicht erfüllen, können im Einzelfall Bußgelder verhängt werden. Für uns ist die Beschwerde damit auch der Praxistest: Was taugt das deutsche Lieferkettengesetz?"
Misereor-Menschenrechtsexperte Armin Paasch hält die Wirkung des LkSG für begrenzt. Das Gesetz verpflichte deutsche Unternehmen zwar, ihren Einfluss zur Beendigung von Menschenrechtsverletzungen zu nutzen, aber nicht ausdrücklich zur Wiedergutmachung von Schäden. Auch verbessere es die Erfolgsaussichten von Betroffenen in Schadenersatzklagen nicht wesentlich. Er hofft auf eine europäische Lösung: "Diese und andere Lücken muss das künftige EU-Lieferkettengesetz schließen, das bis Ende des Jahres beschlossen werden soll."
lst/LTO-Redaktion
Menschenrechtsverletzungen in Ecuador und Costa Rica: . In: Legal Tribune Online, 03.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53070 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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