Eine Richterin am Amtsgericht soll Unterbringungen in die geschlossene Psychiatrie angeordnet haben, ohne die Betroffenen vorher angehört zu haben. Das LG Stade verhängte deshalb eine Freiheitsstrafe gegen die 54-jährige, die der BGH nun aber aufhob.
Eine Richterin am Amtsgericht Rotenburg hat mehreren Personen keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, bevor sie deren Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie anordnete. Durfte sie ausnahmsweise auf eine Anhörung verzichten? Diese Frage hat das Landgericht (LG) Stade nicht hinreichend geklärt, befand der Bundesgerichtshof (BGH) mit am Montag veröffentlichtem Beschluss (v. 18.04.2024, Az. 6 StR 386/23).
Der 6. Strafsenat hob damit das Urteil des LG Stade (v. 06.03.2023, Az. 302 KLs 150 Js 38162/18 (2/22))) auf. Das LG hatte die 54-jährige Richterin wegen Rechtsbeugung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Es hatte als erwiesen angesehen, dass die Betreuungsrichterin zwischen 2016 und 2017 in 15 Fällen Menschen gegen deren Willen in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie untergebracht hatte. Und zwar ohne diese, wie vorgeschrieben, vorher oder in bestimmten Fällen innerhalb von 24 Stunden persönlich angehört zu haben.
Systematische Verstöße oder einschlägige Ausnahmetatbestände?
Nach Auffassung des LG hat sich die Richterin dadurch wegen Rechtsbeugung nach § 339 Strafgesetzbuch strafbar gemacht. Die Angeklagte habe in jedem der 15 Fälle einen elementaren Verstoß gegen die Rechtsordnung begangen. Sie habe sich bewusst sowie aus sachfremden Erwägungen in schwerwiegender Weise von zentralen Verfahrensnormen entfernt, so das LG.
Die Richterin hatte die Vorwürfe damals eingeräumt, aber abgestritten, vorsätzlich gehandelt zu haben. Gegen das Urteil des LG hatte sie Revision eingelegt – mit Erfolg: Die Karlsruher Richter bemängelten, dass die Begründung des LG Stade Lücken aufweise. So sei nicht geprüft worden, ob eine Anhörung in einzelnen Fällen der einstweiligen Unterbringung wegen Gefahr in Verzug ausnahmsweise ausbleiben durfte. Außerdem fehle es in den "Urteilsgründen an der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung aller subjektiven und objektiven Umstände des Einzelfalls", so der BGH.
Die Sache muss nun an einer anderen Strafkammer des LG Stade neu verhandelt werden.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
BGH hebt Urteil wegen Rechtsbeugung auf: . In: Legal Tribune Online, 24.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54842 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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