Insolvenzverwalter Michael Jaffé hat bei Wirecard nach eigenen Angaben eine "äußerst schwierige Lage" vorgefunden, das Unternehmen müsse "redimensioniert" werden. Unter anderem sollen rund 730 Beschäftigte entlassen werden.
Nachdem am Dienstag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG und sechs deutscher Tochtergesellschaften eröffnet worden ist, hat Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé tiefgreifende Maßnahmen angekündigt. Die Cash-Burn-Rate bei Insolvenzantragstellung sei "enorm" gewesen, so dass dringender Handlungsbedarf bestehe, teilt er mit. Das Unternehmen habe durch Zukäufe "erhebliche Überkapazitäten" geschaffen. Dies habe zu hohen Verlusten und zu einem großen "Missverhältnis zwischen den vorhandenen und den tatsächlich benötigten Ressourcen" im Konzern geführt.
Konkret hat Jaffé angekündigt, rund 730 Wirecard-Beschäftigten zu kündigen - auch die Vorstandsverträge werden insolvenzbedingt gekündigt. Ebenso sollen Immobilienmiet- und Leasingverträge beendet werden. "Die wirtschaftliche Lage der Wirecard AG war und ist angesichts der fehlenden Liquidität und der bekannten skandalösen Begleitumstände äußerst schwierig", so Jaffé. Mit den üblichen Restrukturierungs- und Kostenanpassungsmaßnahmen sei es nicht getan, "denn eine so massive Verlustsituation ist im eröffneten Insolvenzverfahren unter Vollkosten nicht darstellbar".
Kerngeschäft soll verkauft werden
Unterdessen laufe der Verkaufsprozess für das Kerngeschäft, in dessen Rahmen auch die nicht insolvente Wirecard Bank am Markt angeboten wird, so der Insolvenzverwalter. Er stehe aktuell "mit mehreren namhaften Interessenten" in Verhandlungen über einen Erwerb. Daneben laufen die Investorenprozesse für die unabhängigen internationalen Tochtergesellschaften, bereits unterzeichnet ist ein Vertrag über den Verkauf der Wirecard Brazil.
Parallel zu den Verwertungsprozessen prüft der Insolvenzverwalter auch Haftungsansprüche, die aus möglicherweise unerlaubten Handlungen oder Pflichtverletzungen resultieren könnten. Dies werde jedoch angesichts des hohen Umfangs der zu prüfenden Daten und Zahlungsvorgänge noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Allen erfolgversprechenden und werthaltigen Schadenersatzansprüchen werde man nachgehen, betont Jaffé.
Die erste Gläubigerversammlung, der sogenannte Berichtstermin, ist für den 18. November 2020 angesetzt. Jaffé zufolge soll sie als Präsenztermin im Löwenbräukeller in München stattfinden.
ah/LTO-Redaktion
Wirecard: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42605 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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