Das BVerfG gibt zwei, gegen Entscheidungen des OLG Celle gerichteten, Verfassungsbeschwerden des Autoherstellers VW statt. Streitgegenständlich ist die Durchführung einer Sonderprüfung.
Erfolg für Volkswagen (VW) vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Celle auf Antrag dreier US-Fonds eine aktienrechtliche Sonderprüfung angeordnet und anschließend eine Anhörungsrüge zurückgewiesen hatte, gaben die Richterinnen und Richter der 3. Kammer des Ersten Senats einer gegen die zugehörigen Beschlüsse gerichteten Verfassungsbeschwerde des Konzerns statt (Beschl. v. 21.09.22, Az. 1 BvR 2754/17).
Ebenfalls stattgegeben wurde einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen spätere Beschlüsse des OLG im Zusammenhang mit dem Wechsel des Sonderprüfers richtete (Beschl. v. 21.09.2022, Az. 1 BvR 1349/20).
Die drei Fonds wollten die Einsetzung eines Sonderprüfers bereits im Rahmen der VW-Hauptversammlung am 22. Juni 2016 erreichen, fanden für ihre Anträge allerdings keine Mehrheiten. Der Versuch der gerichtlichen Durchsetzung des Vorhabens blieb zunächst erfolglos.
Das Landgericht Hannover sah kein Rechtsschutzbedürfnis, auch weil VW zwischenzeitlich bereits die Kanzlei Jones Day mit einer internen Untersuchung beauftragt hatte. Das OLG hatte hingegen Bedenken, dass die Untersuchung durch VW beeinflusst wird und gab dem Antrag der Fonds in der zweiten Instanz statt (Beschl. v. 08.11.2017, Az. 9 W 86/17).
Im Rahmen der Sonderprüfung sollte vor allem geklärt werden, ob Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens rechtliche Pflichten verletzt haben, woraus der Gesellschaft ein Schaden entstanden sein könnte. Von großem Interesse war dabei die Frage nach dem genauen Zeitpunkt, zu dem die Organmitglieder Kenntnis von einem Einsatz der Software zur Steuerung des Stickstoffausstoßes bekommen hatten.
VW beklagt Grundrechtsverletzungen
VW sah sich durch die Anordnung der Sonderprüfung und die anschließende Zurückweisung der Anhörungsrüge (Beschl. v. 23.11.2017, Az. 9 W 86/17) in den Grundrechten verletzt, insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör. Auch bei der später erfolgten gerichtlichen Anordnung zum Austausch des zunächst bestellten Sonderprüfers (Beschl. v. 29.05.2020, Az. 9 W 69/19 sowie 28.04.2020, Az. 9 W 69/19) habe das OLG Grundrechte verletzt.
Die Richterinnen und Richter des BVerfG gelangten zu der Einschätzung, dass es durch die Entscheidungen des OLG "in mehrfacher Hinsicht" zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gekommen sei und attestieren dem OLG im Zusammenhang mit der Klärung der Beteiligtenfähigkeit der Fonds, die den Antrag auf Sonderprüfung gestellt hatten, einen "leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen". Ob weitere Grundrechte verletzt sind, könne daher dahinstehen.
Nach Ansicht der Kammer sind beide Verfassungsbeschwerden zulässig und begründet. Die angegriffenen Entscheidungen aus den Jahren 2017 und 2020 wurden aufgehoben und die Verfahren an das OLG zurückverwiesen.
sts/LTO-Redaktion
BVerfG zu aktienrechtlicher Sonderprüfung zum Abgasskandal: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50284 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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