Vor dem LG Wiesbaden beginnt im Oktober einer der zentralen Prozesse zur Aufarbeitung von Cum-Ex-Aktiendeals. Der Steueranwalt Hanno Berger und Ex-Mitarbeiter einer Bank müssen sich wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung verantworten.
Die Wirtschaftsstrafkammer will vom 20. Oktober an über die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt verhandeln, teilte das Landgericht (LG) Wiesbaden am Donnerstag mit (Az.: 6 KLs - 1111 Js 27125/12). Bis Mitte Januar 2021 sind zunächst zwölf Termine angesetzt, weitere werden folgen. Aufgrund der Coronapandemie findet die Hauptverhandlung in einem externen Gerichtssaal auf einem Festplatzgelände in Wiesbaden-Biebrich statt.
Die Anklage gegen den aus Hessen stammenden Anwalt sowie fünf ehemalige Mitarbeiter einer Bank wurde im Mai 2018 öffentlich gemacht; im Dezember 2019 eröffnete das LG Wiesbaden das Hauptverfahren. Es war die bundesweit erste Anklage zu den Aktiengeschäften zu Lasten der Staatskasse, die seit Jahren bundesweit Ermittler beschäftigen. Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Der Steuerrechtler Berger, ehemals deutscher Managing Partner der inzwischen insolventen Kanzlei Dewey & LeBoeuf, gilt als einer der Hauptakteure bei den Cum-Ex-Geschäften. Er soll das Geschäftsmodell für eine Reihe von Banken und Finanzdienstleistern entwickelt haben. Bevor Berger Mitte der 1990er Jahre zunächst bei Pünder Volhard Weber & Axster, einer Vorgängerkanzlei von Clifford Chance, Rechtsanwalt wurde, hat er viele Jahre in der hessischen Finanzverwaltung gearbeitet. Am Ende seiner Beamtentätigkeit war er Regierungsdirektor. Er wirft den deutschen Behörden vor, ihn zu Unrecht zu verfolgen.
Bei Cum-Ex-Geschäften nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz, um den Staat über Jahre hinweg um Milliarden zu prellen. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen.
Im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafprozess hatte das Landgericht Bonn solche Aktiengeschäfte als Straftat gewertet. Die Bonner Richter verurteilten im März zwei britische Aktienhändler, die als Kronzeugen umfassend zur Aufklärung beigetragen hatten, zu Bewährungsstrafen. Die Privatbank M.M. Warburg sollte als sogenannte Einziehungsbeteiligte 176 Millionen Euro zahlen. Die Bank legte Revision ein, somit landet der Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Mit dem Versuch, die Deutsche Bank für ihre Steuerschulden von 167 Millionen Euro haften zu lassen, ist die Warburg-Bank am Mittwoch vor dem Landgericht Frankfurt gescheitert. Die Deutsche Bank hatte als Depotbank für den Aktienverkäufer bei Cum-Ex-Geschäften der Privatbank fungiert.
Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hat zwei weitere Anklagen zu Cum-Ex eingereicht. Auch andere Staatsanwaltschaften - vor allem die Kölner - ermitteln seit Jahren zu dem Komplex.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Cum-Ex: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42904 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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