Die VW-Dachgesellschaft Porsche muss Anlegern im Dieselskandal fast 47 Millionen Schadensersatz zahlen, entschied das LG Stuttgart. Porsche hat nach Auffassung des Gerichts gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten verstoßen.
Die Abgasaffäre bei VW beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Nun ist am Landgericht (LG) Stuttgart ein erstes Urteil gegen die Dachgesellschaft Porsche SE gefallen. Das Unternehmen muss fast 47 Millionen Euro Schadensersatz zahlen, weil es verspätet über den VW-Dieselskandal informiert hat. Die Holding habe gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten verstoßen, sagte Fabian Reuschle, Einzelrichter der 22. Zivilkammer (Urt. v. 24.10.2018; Az. 22 O 101/16 und 22 O 348/16).
Geklagt hatte unter anderem ein britischer Investitionsfonds. Er bekam rund 3,2 Millionen Euro Schadensersatz zugesprochen. Das Urteil stelle einen Meilenstein dar, sagte Anwalt Klaus Nieding. Bei dem anderen Kläger handelt es sich ebenfalls um einen Fonds. Beide Kläger hatten in Vorzugsaktien der Porsche SE investiert.
Porsche muss den klagenden Investoren nun den Kursdifferenzschaden wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen ersetzen (§ 37b WpHG a.F.). Der Schadenersatzanspruch betrifft nach der Entscheidung nur den Zeitraum vom 23. Mai 2014 bis zum 22. September 2015.
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte Holding Porsche SE hält gut 52 Prozent der Stimmrechte an Volkswagen. Die Holding - ebenso wie VW selbst - hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Winterkorn hat Pflichten grob fahrlässig verletzt
Das LG Stuttgart entschied auch, dass der frühere VW-Chef Martin Winterkorn, damals zugleich Vorstandschef der Porsche SE, seine Pflichten mindestens grob fahrlässig verletzt und sich nicht genügend um die Aufklärung des Dieselskandals bei Europas größtem Autobauer gekümmert hat.
Richter Reuschle kritisierte, dass Winterkorn bei Volkswagen keine ausreichenden Rückstellungen für die Dieselaffäre gebildet habe und auch einen Geschäftsbericht der Holding nicht entsprechend korrigieren ließ. Er habe zudem entsprechende Informationen nicht an die Holding weitergeleitet und ab Mai 2014 der Entwicklung der Rechtsverstöße freien Lauf gelassen. Anstatt bei Volkswagen einen Lenkungsausschuss zur Aufklärung der Dieselaffäre einzurichten, habe der Manager die Entwicklung und Diskussion mit den Behörden abwarten wollen. "Das entspricht nicht mehr dem Leitbild eines sorgfältigen Geschäftsführers", so Reuschle.
Porsche will Berufung einlegen
Die Porsche SE kündigte umgehend Berufung an. Man sei überzeugt, dass die Urteile vor dem Oberlandesgericht Stuttgart keinen Bestand haben werden, teilte das Unternehmen mit und kritisierte, dass ein Einzelrichter den Fall verhandelte und keine Kammer. Schon im Vorfeld hatte das Unternehmen angekündigt, im Falle einer Niederlage bis zum Bundesgerichtshof gehen zu wollen.
Neben Stuttgart ist auch am Oberlandesgericht Braunschweig ein Verfahren gegen Volkswagen und die Porsche SE anhängig. Dabei handelt es sich um ein Musterverfahren. Dort verlangen Investoren wie die Sparkassentochter Deka, die als Musterklägerin auftritt, Schadensersatz in Milliardenhöhe.
VW hatte im September 2015 eingeräumt, bei Millionen Dieselautos Abgastests manipuliert zu haben und stürzte daraufhin in eine schwere Krise. Im Zuge dessen wurden umfassende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Unter anderem auch gegen Winterkorn.
Der Einzelrichter wollte in den Verfahren unter anderem Winterkorn und den Bosch-Chef Volkmar Denner sowie andere hochrangige Manager aus der Branche als Zeugen hören. Doch dazu kam es nicht, weil Winterkorn als Beschuldigter ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht hat.
dpa/ah/LTO-Redaktion
LG Stuttgart zu Publizitätspflichten im Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31699 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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