Der schwedische Lastwagenbauer Scania hat seine Beteiligung am Lkw-Kartell nie zugegeben, dennoch wurde er auf Schadensersatz verklagt. Vor dem LG Mainz errang das Unternehmen jetzt einen Teilerfolg.
Es war eine Rekordbuße, die die EU-Kommission vor rund zwei Jahren mehreren Lastwagenbauern auferlegt hatte: Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault sollten wegen ihrer Beteiligung am LKW-Kartell 2,93 Milliarden Euro zahlen, die Münchner VW-Tochter MAN kam als Hinweisgeber straffrei davon. Der ebenfalls zum VW-Konzern zählende schwedische Hersteller Scania wurde mit einem Bußgeld von 880 Millionen Euro belegt.
Das 1997 gegründete Kartell war nach Angaben der europäischen Wettbewerbshüter 14 Jahre lang aktiv, es gab Absprachen auf der höchsten Führungsebene. Während die anderen fünf Lkw-Hersteller ihre Schuld eingeräumt und sich mit der Kommission verglichen haben, bestreitet Scania die Vorwürfe allerdings nach wie vor. Deshalb hatte die Kommission ihre Untersuchung gegen Scania nach dem normalen Kartellverfahren durchgeführt. Der schwedische Hersteller griff den Bußgeldbescheid aber mit einer Nichtigkeitsklage in allen Punkten an. Das Verfahren ist derzeit vor dem Europäischen Gericht (EuG) anhängig (Az. T-799/17).
Nicht nur Bußgeld, sondern auch Schadensersatzklagen
Neben den Kartellbußgeldern stehen den betroffenen Lastwagenbauern auch noch Schadensersatzklagen mit teils erheblichen Streitwerten ins Haus: Lkw-Käufer machen - zum Teil über eigens formierte Klagevehikel - hohe Forderungen geltend. Laut Medienberichten ist von weit über einer Milliarde Euro die Rede; ein Kenner des Verfahrens schätzte sogar, dass der Schadensersatz, den die Hersteller ihren Kunden leisten müssten, die Bußgelder noch übertreffen könnte.
Auch Scania sieht sich einer ersten Schadensersatzklage ausgesetzt, hat hier jetzt aber einen Teilerfolg erzielt: Das Landgericht (LG) Mainz setzte das dort anhängige Verfahren so lange aus, bis es ein rechtskräftiges Urteil über die Nichtigkeitsklage Scanias gegen den Kommissionsentscheid gibt (Beschl. v. 03.08.2018; Az. 9 O 49/18).
Wichtiger Etappensieg für das Unternehmen
Vor dem LG Mainz hatte ein sogenanntes Klagevehikel geklagt, das die Ansprüche von Lkw-Käufern wie beispielsweise Spediteuren bündelt. Da es sich dabei auf die Kommissionsentscheidung stützte, ist das Urteil der europäischen Richter zu Scanias Beteiligung am Lkw-Kartell nach Ansicht der Kartellrechtler von Allen & Overy, die den Lkw-Bauer vertreten, vorgreiflich für Schadensersatzfragen.
Sie beantragten daher die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO. Nach dieser Norm kann ein Gericht in einem Verfahren, das vom Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das wiederum Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung dieses zweiten Rechtsstreits ausgesetzt wird. Das LG Mainz folgte dem und ordnete die Aussetzung der Verhandlung an. Gegen diese Entscheidung können die Kläger nach § 252 ZPO jedoch noch sofortige Beschwerde einlegen.
Es klingt nach einer unspektakulären Entscheidung, die das LG Mainz getroffen hat, zumal der Streitwert nach LTO-Informationen bei verhältnismäßig geringen 75.000 Euro lag. Doch Scanias Anwälte bezeichnen den Beschluss als "beachtlich" und "sehr wichtigen Präzedenzfall". Andere Gerichte, vor denen ebenfalls auf Schadensersatz gegen Scania geklagt wird, könnten zu einer ähnlichen Auffassung wie die Mainzer Richter gelangen.
Zunächst muss sich nun also das EuG mit der Nichtigkeitsklage befassen und es scheint durchaus wahrscheinlich, dass der Fall auch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen wird. Damit dürfte noch einige Zeit ins Land gehen, bis Käufer von Scania-Lkw Schadensersatz erhalten – falls sie überhaupt jemals entschädigt werden.
Beteiligung am Lkw-Kartell: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30557 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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