Betriebsschließungen wegen Corona - können Ladenbetreiber dafür eine Entschädigung verlangen? Die Frage ist juristisch heiß diskutiert, einen ersten entsprechenden Antrag einer Friseurin hat das LG Heilbronn nun abgelehnt.
Es besteht kein Anspruch auf Entschädigungsvorschuss per einstweiliger Verfügung wegen einer durch die Corona-Maßnahmen angeordneten Betriebsschließung eines Frisörsalons. Das hat das Landgericht Heilbronn (LG) entschieden (Urt. v. 29.4.2020, Az.: I 4 O 82/20) und damit - soweit ersichtlich - eine der ersten Entscheidungen zu dieser juristisch umstrittenen Grundsatzfrage getroffen.
Geklagt hatte eine Selbstständige, die einen Friseursalon in Baden-Württemberg betreibt, den sie wegen der Coronamaßnahmen Ende März schließen musste. Seit Montag dürfen Friseursalons zwar auch in Baden-Württemberg wieder öffnen, zwischenzeitlich seien aber erhebliche Kosten angefallen, argumentierte die Frau im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes: Miete, Aufwendungen zur sozialen Sicherung und der völlige Verdienstausfall während der Wochen, in denen sie ihren Salon geschlossen halten musste. Die Salonbetreiberin verlangt daher vom Land Baden-Württemberg Entschädigung und zog vor das LG Heilbronn. Dort wollte sie im Wege einer einstweiligen Verfügung bereits eine Vorschusszahlung in Höhe von 1.000 Euro erstreiten.
Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Das LG wies den Antrag ab und gab dem Land Recht. Abgesehen davon, dass die Friseursaloninhaberin bereits eine ausreichende Soforthilfe vom Land in Höhe von 9.000 Euro erhalten habe, sodass eine existenzielle Notlage, die im Eilverfahren hätte nachgewiesen werden müssen, nicht vorliege, bestehe auch sonst kein Anspruch auf Entschädigung.
Weder aus dem IfSG noch aus dem PolG
Ansprüche aus § 56 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der Existenzbedrohten Entschädigung für Verdienstausfall zuspricht, bestehen nach Ansicht des Gerichts nicht. Zwar gehörten Selbständige wie die klagende Friseursalonbetreiberin zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Anspruchsvoraussetzung sei aber eine Maßnahme nach dem IfSG selbst (§ 56 Abs. 1 IfSG) - und darunter fielen die allgemeinen Betriebsschließungen gerade nicht. Denn dafür, so das LG, hätte die Schließung beispielsweise wegen Infektion oder drohender Infektion des Inhabers erfolgen müssen, wozu die hier klagende Selbständige – glücklicherweise, wie das Gericht betont – nicht zähle. Für eine analoge Anwendung der Norm bestünde außerdem kein Raum, da keine Regelungslücke durch Rechtsfortbildung zu schließen sei. Durch die Rettungspakete für Selbständige sei die Lücke nämlich geschlossen, argumentiert das Gericht.
Ein Anspruch aus § 55 Polizeigesetz (PolG) Baden-Württemberg scheide indes auch aus, weil das IfSG abschließende Regelungen treffe, so das LG. Auch ein Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs oder den Aufopferungsgedanken scheitern dem Gericht nach letztlich daran, dass Schutzgut dieser Institute die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Grundgesetz sei. Im vorliegenden Fall gehe es hier aber um Erwerbs- und Betriebssaussichten im Friseursalon der Klägerin, worin noch keine Beeinträchtigung des Eigentums zu sehen sei.
Das Land Baden-Württemberg wurde vertreten durch die Kanzlei Oppenländer Rechtsanwälte aus Stuttgart. Der Oppenländer-Rechtsanwalt Dr. Malte Weitner begrüßt die Entscheidung als "erste bundesweite Probebohrung" zu dem viel diskutierten Thema. In der Literatur wird die vom Gericht vertretene Meinung von vielen Stimmen geteilt. Es finden sich aber auch Gegner dieser Sichtweise, die Entschädigungszahlungen insbesondere aus dem IfSG herleiten wollen.
ast/LTO-Redaktion
LG Heilbronn im Eilverfahren: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41495 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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