Im Prozess gegen die Ex-Manager des insolventen Agrarkonzerns KTG Agrar wurde am Donnerstag um Haftungsfragen und Geschäftsprognosen gestritten. Die Parteien zeigten sich für einen Vergleich offen.
Die börsennotierte KTG Agrar hatte Anfang Juli 2016 einen Insolvenzantrag gestellt, und strittig war in der mündlichen Verhandlung am Donnerstag, ob die Zahlungsunfähigkeit nicht schon ein Jahr früher von den Vorständen und Aufsichtsräten hätte erkannt werden müssen. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus hat gegen acht Führungskräfte unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und Organhaftung nach dem Aktiengesetz geklagt. Er fordert rund 189 Millionen Euro von den Beklagten.
Die Vorsitzende Richterin Heike Hummelmeier machte zum Prozessauftakt vor dem Landgericht (LG) Hamburg deutlich, dass die ehemalige Führungsriege ihre Geschäftsprognosen für einen Zeitraum von zwei Jahren im voraus hätten erstellen sollen. "Es wurde ein großes Rad gedreht", sagte sie. Daher sei dieser Prognosezeitraum nicht abwegig. Es sei allen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern 2015 klar gewesen, dass Mitte 2016 Zinszahlungen für eine 2011 begebene, hochverzinsliche Anleihe fällig werden würden. Die Anleihe konnte damals mit fälligen 18 Millionen Euro Zinsen nicht bedient werden, woraufhin Insolvenz angemeldet werden musste.
"Es gab keine Krisenanzeichen", widersprach der Anwalt eines Beklagten. Eine Insolvenz sei 2015 nicht erkennbar gewesen. Die Vorstände müssten sich darauf verlassen dürfen, dass ihre Wirtschaftsprüfer sorgfältig arbeiteten. Nach dem Insolvenzantrag hatten Wirtschaftsprüfer ihren Bestätigungsvermerk für die Bilanz über das Geschäftsjahr 2015 zurückgezogen. "Ein Vorstand muss keine Eierlegende Wollmichsau sein. Das ist überzogen", sagte der Anwalt und verwies außerdem darauf, dass KTG Agrar ein "komplexer Konzern" mit 150 Einzelgesellschaften gewesen sei. Zwei-Jahres-Prognosen seien bei einem Agrarbetrieb "jenseits der Vertretbarkeit".
Die Richterin hielt entgegen, dass Vorstände und Aufsichtsräte verpflichtet seien, sich um ihre Aufgaben gemeinsam zu kümmern. Dass es für 2015 keine Mahnungen oder Zahlungsausfälle gab, sei durchaus ungewöhnlich, ergänzte sie. Die im Insolvenzverfahren aufgedeckten Gesamtschulden lagen bei 600 Millionen Euro. Zu den zahlreichen Gläubigern des Konzerns gehörten vor allem die Zeichner von zwei Anleihen über insgesamt nominal 342 Millionen Euro.
Der Insolvenzverwalter zeigte sich ebenso wie die Beklagten für einen Vergleich gesprächsbereit. Voraussetzung sei, mit den Versicherungen zu einer Lösung zu kommen.
Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft laufen nach wie vor auch strafrechtliche Untersuchungen wegen des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung gegen ehemalige Manager der KTG Agrar.
dpa/ah/LTO-Redaktion
KTG Agrar: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30693 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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